Leitplanken in der Internetökonomie
Kartellamt schränkt Datensammlung des Online-Riesen Facebook in Deutschland massiv ein
Das Bundeskartellamt will die Sammlung von Nutzerdaten durch Facebook in Deutschland massiv einschränken und damit einen Präzedenzfall für die Online-Wirtschaft schaffen. Das Kartellamt verfügte »weitreichende Beschränkungen« bei der Verarbeitung von Nutzerdaten. Das Online-Netzwerk darf danach Daten seiner Dienste wie Instagram und Whatsapp oder von Websites anderer Anbieter nur noch mit dem Facebook-Konto des Nutzers verknüpfen, wenn dieser es ausdrücklich erlaubt hat. »Es ist so eine Art interne Entflechtung der Datenverarbeitung bei Facebook«, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Donnerstag in Bonn. Wenn der Nutzer die Einwilligung verweigere, dürfe Facebook ihn nicht von seinen Diensten ausschließen.
Das Online-Netzwerk hat nun zwölf Monate Zeit, sein Verhalten zu ändern. Komme Facebook den Auflagen nicht nach, könne das Kartellamt wiederholt Zwangsgelder von jeweils bis zu zehn Millionen Euro verhängen. Facebook kann Beschwerde gegen die Entscheidung des Kartellamts beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen und mit einem Eilantrag die Aussetzung der Fristen beantragen. Das Online-Netzwerk machte bereits deutlich, dass es sich vor Gericht wehren will. Der Fall könnte durch die Verknüpfung von Datenschutz und Wettbewerbsaufsicht wegweisend werden - und jahrelang durch die Instanzen gehen.
»Wir sind dabei, kartellrechtliche Leitplanken in die Internetökonomie einzuziehen«, sagte Kartellamtspräsident Mundt. »Der Nutzer gewinnt ein Stück Datenhoheit zurück.« Er könne in Zukunft selbst bestimmen, welche Daten von ihm genutzt und wie sie zusammengeführt werden. Die Entscheidung des Kartellamts gelte aber nicht rückwirkend für bereits von Facebook gesammelte und verknüpfte Daten, schränkte er ein.
Die Entscheidung der Wettbewerbshüter traf bei Verbraucherschützern und in der Politik auf breite Zustimmung. »Der Datensammelwut des Unternehmens wird nun zum Schutze von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch mit Mitteln des Kartellrechts begegnet«, sagte der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck nannte den Beschluss »wegweisend«. Facebook müsse entflochten und das europäische Wettbewerbsrecht reformiert werden. Vom Digitalverband Bitkom kam hingegen Kritik: Der Versuch, eine große Plattform zu regulieren, werde wieder einmal negative Folgen für kleine Unternehmen, Verlage und Internetnutzer haben. Denn sie profitierten zum Beispiel von den »Like«-Buttons.
Das Kartellamt wirft Facebook vor, seine marktbeherrschende Stellung für unzulässige Vertragsbedingungen zu nutzen. »Facebook vermisst den Nutzer bis ins Detail«, sagte Mundt. Es komme auch nicht darauf an, dass für die Nutzung von Facebook kein Geld bezahlt werden müsse. »Die Daten sind das Öl, dass die Internetwirtschaft schmiert«, betonte der Kartellamtschef. »Die Daten haben einen hohen Wert. Deshalb ist das Wort kostenlos in diesem Zusammenhang auch unangebracht.«
Facebook kontert, das Online-Netzwerk sei zwar populär, aber habe keine marktbeherrschende Stellung. »Das Bundeskartellamt unterschätzt den starken Wettbewerb, dem wir in Deutschland ausgesetzt sind«, heißt es in einer Mitteilung. Zudem sei das Kartellamt gar nicht zuständig. Facebook halte sich an die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), für deren Kontrolle die irische Datenschutzbehörde zuständig sei. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.