• Berlin
  • Afrikanisches Viertel

Straßenumbenennung zieht sich

Im Wedding sind die Namen von Männern aus der deutschen Kolonialzeit immer noch da

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis zum heutigen Montag konnten Anwohner*innen Widerspruch beim Bezirksamt Mitte dagegen einlegen, dass die Lüderitzstraße in Cornelius-Fredericks-Straße umbenannt wird. Sie ist eine der drei Straßen im Weddinger Afrikanischen Viertel, deren Namensänderung stark umkämpft ist. Denn Namen von Akteuren aus der deutschen Kolonialzeit sollen zukünftig nicht mehr im Stadtbild gewürdigt werden.

Auch der Nachtigalplatz und die Petersallee dürften deshalb bald anders heißen. So eignete sich Adolf Lüderitz, ein Kaufmann, durch Betrug Gebiete im heutigen Namibia an. Alleine in diesem Land starben durch die deutsche Kolonialherrschaft und einhergehende Gewalt Zehntausende Menschen. Der Nachtigalplatz ist nach nach Gustav Nachtigal benannt, der im Auftrag des damaligen Deutschen Reiches das heutige Togo und Kamerun kolonisierte. Carl Peters machte Tansania und Ruanda zu deutschem Besitz. Das Bezirksamt Mitte sagte dem »nd« dazu: »Straßennamen in Berlin sind Ehrungen. Lüderitz, Peters und Nachtigal sind nach unserem heutigen Demokratieverständnis keine zu ehrenden Personen.« Die neuen Straßennamen sollen stattdessen an Widerständige aus den ehemaligen deutschen Kolonien erinnern.

Trotzdem geht die Änderung nur schleppend voran. Zwar entschied die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte schon im März 2016, die drei Straßen umzubenennen. Doch bis jetzt ist dieser Beschluss nicht umgesetzt. Das Bezirksamt teilte mit, dass die Umbenennung erst wirksam sei, wenn alle Widersprüche bearbeitet seien. Diese können Anwohner*innen einreichen, nachdem die jeweilige Umbenennung im Amtsblatt stand. Noch bis Mitte März ist das zur Änderung des Nachtigalplatzes in Manga-Bell-Platz möglich. Für die Petersallee, zukünftig in einem Teil Anna-Mungunda-Allee und im anderen Maji-Maji-Allee, ist die Frist abgelaufen. Zur Lüderitzstraße und der Petersallee lägen »bereits zahlreiche Widersprüche vor«, teilte das Bezirksamt mit. Wann die Schilder also wirklich ausgetauscht werden, bleibt offen.

Auch einen Informationsabend für Bürger*innen, ob dafür oder dagegen, scheint es vorerst nicht zu geben. Die Bürgerinitiative »Pro Afrikanisches Viertel«, deren Mitglieder zwar im Viertel wohnen, aber nicht in einer der drei betroffenen Straßen, ist gegen die Umbenennungen. »Keiner will sich weiter auf den Kolonialismus beziehen«, betonte Sprecherin Karina Filusch. Es gehe darum, wie die BVV Mitte das Verfahren führe, nämlich »bürgerverachtend und ideologisch missionierend«. Außerdem störe es »schwarze Menschen im Viertel, dass sie in eine Opferrolle gedrängt und auf die vordemokratische Epoche Afrikas reduziert werden«.

Als Kompromiss schlägt die Bürgerinitiative vor, die Straßen anderen Personen mit dem gleichen Nachnamen zu widmen und eine Infotafel am jeweiligen Straßenschild anbringen zu lassen. So soll aus dem Namensgeber Gustav Nachtigal etwa Johann Nachtigal, ein Theologe und Schriftsteller aus dem 18. Jahrhundert, werden.

Für Christian Kopp vom Bündnis »Decolonize Berlin« wäre eine Umwidmung »Etikettenschwindel« und eine »bewusste Irreführung der Öffentlichkeit«. Auch das Argument von hiesigen Gewerbetreibenden, es sei ein zu großer Aufwand, Verträge mit Geschäftspartnern wegen der neuen Adresse zu ändern, hält Kopp für unhaltbar. »Eine simple Adressänderung würde weitaus weniger Aufwand bedeuten, als jahrelang gegen die Ehrung von Afrikaner*innen im Afrikanischen Viertel Klage zu führen.« Rund 200 lokale Geschäftsinhaber*innen hatten Anfang Januar einen Sammelwiderspruch beim Bezirksamt Mitte eingereicht, um die Namensänderung zu verhindern.

Kopp ist auch Mitglied des im Afrikanischen Viertel ansässigen Vereins »Berlin Postkolonial«. Dieser veranstaltet Führungen zur Kolonialgeschichte der Gegend. Seitdem klar ist, dass die Straßennamen sich ändern sollen, beschimpften Anwohner*innen regelmäßig die schwarzen oder afrikanischen Referierenden. Immer mal wieder führe außerdem jemand absichtlich mit dem Fahrrad in die Gruppe der Teilnehmenden, berichtete Kopp.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -