Städte sollen Erneuerbare stärker ausbauen

Photovoltaik-Anlagen auf Dächern könnten Konflikte um knappe Flächen entschärfen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mahnt eine natur- und umweltverträgliche Umsetzung der Energiewende in Deutschland an. Ein weiterer Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik sei zwar zur Erreichung der Ziele unerlässlich, so BfN-Präsidentin Beate Jessel am Mittwoch in Berlin bei Vorstellung des neuen Energiereports ihrer Behörde. Nötig sei allerdings eine effizientere Flächennutzung, um den Erhalt der Artenvielfalt und den Schutz von Naturlandschaften nicht zusätzlich zu gefährden. So müsse bei der Errichtung von Windrädern in Waldgebieten zwischen ohnehin forstwirtschaftlich genutzten Arealen und schützenswerten Wäldern mit wertvollen alten Baumbeständen unterschieden werden. Auch der großflächige Bau von Photovoltaikanlagen auf ökologisch unverzichtbaren Grünlandflächen könne in dieser Form nicht weiter forciert werden.

Die Behörde warnte überdies vor der weiteren »Vermaisung« großer landwirtschaftlicher Nutzgebiete. Bundesweit wird mittlerweile auf 1,4 Millionen Hektar Mais als Biomasse für die energetische Verwertung angebaut, teilweise in riesigen Monokulturen, mit entsprechend dramatischen Folgen für die Artenvielfalt. Ein weiterer Ausbau sei weder energieeffizient noch mit den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes zu vereinbaren und dürfe daher »keine Handlungsoption sein«, betonte Jessel.

Das energiepolitische Ziel, den Anteil der Erneuerbaren an der Bruttostromerzeugung von derzeit 35 Prozent auf 80 Prozent bis zum Jahr 2050 zu steigern, stellt die Naturschutzbehörde nicht in Frage. Sie sieht genügend Potenziale für diese Entwicklung, vor allem in Städten. Bislang vollzieht sich der Ausbau der erneuerbaren Energien in erster Linie in ländlichen Räumen. Verbraucht wird die meiste Energie hingegen in den Ballungszentren. Eine stärkere Nutzung von Dächern für Photovoltaik-Anlagen in städtischen Räumen sei daher »unerlässlich«.

Auf größere Anlagen vor den Küsten sowie in der Fläche kann aus Sicht des Bundesamts dennoch nicht verzichtet werden. Es fordert dafür eine bundeseinheitliche und vor allem eindeutige Klassifizierung aller Flächen in Bezug auf eine mögliche Nutzung als Standorte für Wind- oder Photovoltaikanlagen. Ferner müsste der Bund auch Kompetenzen bei der Standortverteilung erhalten.

Prinzipiell stehe eine große Mehrheit der Bürger der klimapolitisch gebotenen Energiewende positiv gegenüber, erläuterte Jessel. Dennoch formiere sich an vielen Standorten für neue Anlagen örtlich massiver Widerstand, wobei Naturschutzargumente oftmals »nur vorgeschoben werden«. Aber man müsse auch Ängste vor einer »Überprägung« durch Windparks in einzelnen Gemeinden und Regionen ernst nehmen. Das Bundesamt mahnt deshalb eine stärkere Berücksichtigung von »Landschaftsbild und Landschaftserleben« an. Entscheidend für das Gelingen der Energiewende ist nach Jessels Überzeugung die Einbeziehung der Bevölkerung in die Standortfestlegung und die Planungsprozesse vom ersten Tag an. Allen Beteiligten müsse bewusst sein, dass an einer natur- und umweltverträglichen Energiewende kein Weg vorbei führe, deren Gelingen aber auch von der Akzeptanz der Bürger abhängig sei, betonte die BfN-Präsidentin. Für viele Ängste und Fragen gebe es auch technische Lösungen, beispielsweise durch intelligente Steuerungstechnik von Windrädern in Vogelzuggebieten.

Das BfN fordert ferner, den Fokus stärker auf die nur unzureichend genutzten Möglichkeiten zur Energieeinsparung zu nutzen. Allerdings sei es eine Illusion zu glauben, dass der Stromverbrauch insgesamt sinken werde, warnte Jessel. Möglichen Einsparungen durch größere Energieeffizienz stünden perspektivisch erhebliche Mehrbedarfe durch Elektromobilität und Digitalisierung gegenüber.

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