• Berlin
  • Streik der Jugendämter

Jugendämter streiken für bessere Gehälter

Gewerkschaft ver.di ruft Sozialarbeiter zum ganztägigen Ausstand für mehr Lohn und weniger Arbeitsbelastung auf

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Für jemanden, der das mit Herzblut macht, ist das ein attraktiver Beruf, aber die wollen auch entsprechend entlohnt werden«, sagt Rainer Schwarz. Der Jugendamtsleiter weiß wovon er spricht, rund 90 Mitarbeiter*innen arbeiten bei ihm im Jugendamt Tempelhof-Schöneberg - noch. Denn wie auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes gehen viele davon in den nächsten Jahren in Rente. Allein in Tempelhof-Schöneberg fällt dadurch laut Schwarz in den nächsten vier Jahren rund ein Viertel der Leitungskräfte weg. Die frei werdenden Stellen nachzubesetzen wird für die Jugendämter zunehmend zum Problem.

Das liegt auch an den zu niedrigen Gehältern, meint die Gewerkschaft ver.di. Und ruft in der laufenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst die Beschäftigten in Jugendämtern und Jugendfreizeiteinrichtungen am heutigen Dienstag zum ganztägigen Warnstreik auf. »Es geht um höhere Löhne, aber auch um bessere Arbeitsbedingungen«, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretärin Anna Sprenger dem »nd«. Seit Jahren kämpften die Sozialarbeiter*innen für eine Aufwertung ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit. Gerade in den sozialpädagogischen Diensten der Jugendämter sei die Not am größten: »Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Sozialarbeiter für bis zu 100 Familien zuständig ist. Eine Fallzahlbegrenzung ist hier dringend notwendig, damit überhaupt noch eine qualitative Arbeit gewährleistet werden kann.«

Sechs Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 200 Euro fordern die Gewerkschaften. Zudem wollen sie Verbesserungen bei Eingruppierungen und eine Angleichung der Bezahlung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder (TV-L) an die der Kommunen (TVöD) erreichen. Davon würden die Jugendamtsmitarbeiter*innen besonders profitieren: »Die Einstufungen sind sehr schlecht«, sagt Jugendamtsleiter Schwarz. Dabei seien die Löhne ohnehin zu niedrig. »Viele wechseln nach Brandenburg oder zu freien Trägern, weil sie dort besser bezahlt werden«, weiß er.

Um das zu verhindern, müsste die Arbeit beim Jugendamt besser entlohnt werden, findet Schwarz, der seinen Mitarbeiter*innen am liebsten ein Lehrer*innengehalt zahlen würde. Dass Berlin bei der Bezahlung von Sozialarbeiter*innen im Gegensatz zu Bundesländern wie Brandenburg besonders schlecht dasteht, weiß auch Anna Sprenger: »In den ersten Berufsjahren können wir noch mithalten, nach längerer Berufserfahrung kann der Gehaltsunterschied schon zwischen 200 und 365 Euro liegen«, so die Gewerkschafterin. Sie erwartet vom Land Berlin daher eine bessere Eingruppierung - ohne dass dies zulasten anderer Beschäftigter geht. Laut ver.di will sich die Tarifgemeinschaft der Länder aber nur dann auf Verbesserungen bei den Eingruppierungen einlassen, wenn diese vollständig gegenfinanziert werden. »Damit würden alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder mit geringeren Lohnerhöhungen dafür bezahlen, dass in einigen Berufsgruppen überfällige Verbesserungen finanziert werden«, kritisiert Astrid Westhoff, Tarifexpertin bei ver.di Berlin-Brandenburg.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, will die Gewerkschaft vor dem Dienstsitz von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) demonstrieren, der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite ist. Dass die Jugendamtsmitarbeiter*innen und Sozialarbeiter*innen zu einem eigenen Streik aufgerufen sind, nachdem letzte Woche bereits 12 000 Mitarbeiter*innen des öffentlichen Dienstes ihre Arbeit niedergelegt hatten, begründet ver.di mit mehr Sichtbarkeit: »Wir haben den Eindruck, dass diese Beschäftigtengruppe bei den Diskussionen um eine bessere Bezahlung oft vergessen wird«, so Sprenger.

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