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- Steuervermeidung
»Ein Dax-Unternehmen …
Kathrin Gerlof über die Absicht, einen ganz legalen Steuertrick ein ganz klein wenig einzuschränken
… ist kein Vermeidungskonstrukt für die Grunderwerbssteuer.« Norbert Kuhn, ein Mann des Deutschen Aktieninstituts, hatte recht, als er im Bundestag bei einem Fachgespräch zur Reform (sehr euphemistischer Ausdruck) der Grunderwerbssteuer den zuhörenden Abgeordneten die Leviten las. Ein Dax-Unternehmen ist dafür da, Gewinne für seine Aktionäre und -innen zu erwirtschaften. Aber wenn sich das durch die Vermeidung von Steuern erzielen lässt, tut es das natürlich auch. Auch wenn sich niemand hinstellte und sagte: »Unser Kerngeschäft ist Steuerbetrug.«
Soweit klar. Unklar ist, wieso das hessische Finanzministerium, das nicht in Verdacht steht, Dax-Unternehmen-feindlich zu sein, glaubt, dass durch sogenannte Share Deals jährlich rund eine Milliarde Euro Steuern flöten gehen. Share Deals sind eine legale Sauerei, von denen es in der Steuergesetzgebung eine ganze Reihe gibt, und die wenigsten davon begünstigen die sogenannten kleinen Steuerzahler. Also jemand verkauft Grund und Häuser. Und wer kauft, hat normalerweise Grunderwerbssteuer zu zahlen. Gute Sache. Nun kann man aber, um das zu vermeiden, eben nicht Grund und Gebäude, stattdessen aber Anteile an Unternehmen kaufen, die über Grund und Häuser verfügen. So kommt man auch zum Zuge, Eigentum wechselt den Besitzer, aber die Grunderwerbssteuer entfällt. Nach geltenden Regeln dürfen es nicht mehr als 95 Prozent eines Unternehmens sein, die über den Tisch gehen, sonst: Grunderwerbssteuer. Aber das lässt sich ja einrichten. 95 Prozent sind ganz schön viel, da gehört einem doch fast das ganze Haus und so gut wie der ganze Grund. Die Finanzminister unserer Länder haben sich nun gesagt, ändern wir doch mal das Gesetz und legen den maximal zu erwerbenden grunderwerbssteuerfreien Anteil auf 90 Prozent fest.
Liebe Leserin, lieber Leser: Was glauben Sie, wie darauf das Kapital reagiert? Es macht sich Sorgen! Um uns, um die Wirtschaft, um alles. Norbert Kuhn zum Beispiel ist der Meinung, wenn das so gemacht wird, dann ist der Finanzplatz Deutschland »massiv geschädigt«. Ein Dummkopf, wer jetzt behauptet, das würde uns, die wir gar nicht am Finanzplatz zocken, nicht betreffen. Natürlich betrifft es uns. Denn alles, was die Banken und Börsen durch Zockerei und schwindlige Finanzprodukte verballern, müssen wir am Ende wieder ausgleichen - weil es zwar denkbar, wenn auch nicht schön ist, dass immer mehr Menschen in einem ziemlich reichen Land unterhalb der Armutsgrenze leben, aber niemals nie vorstellbar sein kann, dass eine Bank für ihre saumäßige Arbeit mit Verstaatlichung oder Schließung bestraft wird.
Kuhn weiß Abhilfe und Rettung vor massiver Schädigung des Finanzplatzes Deutschland. Er schlägt vor, bei der gesetzlichen Neuregelung (mein Gott, wir reden von fünf Prozent weniger Unternehmensanteil, dürfen wir das wirklich eine Neuregelung nennen?) auf »den Zweck einer Anteilsübertragung« abzustellen. Und der Zweck, das seien ja möglichst große Erträge aus Dividenden und Kurssteigerungen. (Kurssteigerungen, das ist jenes Phänomen, dem wir nie und nie auf die Schliche kommen werden: Friedrich Merz bringt sich in Stellung, der Dax steigt. Die SPD legt zwei Prozentpunkte zu, der Dax fällt. Irgendwo funktioniert die Klospülung nicht mehr, der Dax steigt)
Aber zurück zum Grunderwerb mit dem Grund, möglichst große Erträge aus Dividenden zu erzielen. Kuhn sagt, dass diese möglichst großen Erträge ja insbesondere für die Altersvorsorge genutzt werden und keinesfalls eine missbräuchliche Umgehung der Grunderwerbssteuer darstellten.
Jetzt nehmen wir nur mal theoretisch an - nie und nimmer würde das passieren -, der Staat bliebe bei seinem Vorhaben, mehr Grunderwerbssteuer einzunehmen und wollte dann auch noch das zusätzliche Steueraufkommen in die Alterssicherung und die berühmten armutsfesten Renten (dieser Schwachsinn hört nie auf, aber die Armut, die dann fest ist, wird es uns danken) investieren. Was sagte Norbert Kuhn wohl dazu?
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