Hinter Fantasienamen bei Backwaren stehen nicht zwangsläufig gesunde Produkte

Verbraucherschützer fordern eine einfache Lebensmittelkennzeichnung

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Nicht erst die vor knapp drei Wochen zu Ende gegangene »Grüne Woche« in Berlin hat das Thema wieder in den Fokus gerückt: die Lebensmittelkennzeichnung. »Wir brauchen dringend eine einfache Kennzeichnung, aus der auf einen Blick hervorgeht, welche Fertigprodukte gesünder sind und in welchen besonders viel Salz, Fett oder Zucker stecken«, fordert Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). Eine Variante wäre dabei eine Art Ampellösung.

In Deutschland drohe ein Flickenteppich, der die Verbraucher verwirrt anstatt zu informieren, so Klaus Müller. Neben Frankreich seien auch Belgien und Spanien schon weiter und hätten sich auf ein einheitliches Modell (Nutri Score) geeinigt.

Mehr Transparenz bei Brot und Brötchen

Verbraucherschützer fordern auch eine bessere Kennzeichnung von Brot und Brötchen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte, Kunden schätzten Backwaren mit »gesund klingenden Namen« als gesünder ein, ohne jedoch die Zutaten zu kennen. Einer Umfrage zufolge wünschen sich knapp 60 Prozent der Befragten, dass bei Brot- und Brötchen direkt in der Verkaufstheke Schilder mit den Zutaten aufgestellt werden.

Immer mehr spezielle Brotvarianten auf dem Markt

Bei Backwaren kommen zusehends spezielle Brotvarianten auf den Markt, die gut für die Gesundheit sein sollen. Kennen Sie »Vitalbrot« oder »Sportlerbrot«? Auch beim täglichen Brot locken mehr und mehr neue Kreationen - mit Ölsaaten, Chiasamen oder viel Eiweiß.

Jeweils mehr als die Hälfte der Befragten schätzen Bezeichnungen wie »Fitnessbrot«, »Powerbrot« oder »Joggingbrot« in punkto Gesundheit positiv ein, wie eine Umfrage für den vzbv ergab - »Weizenmischbrot« aber nur 40 Prozent. Doch hinter gesund klingenden Fantasienamen von losen Backwaren stünden nicht zwangsläufig gesunde Produkte. »Verbraucher erwarten zu Recht, dass sie sich beim Brotkauf darauf verlassen können, dass drin ist was draufsteht«, so vzbv-Chef Klaus Müller.

Je nach Bezeichnung schätzen demnach 56 bis 70 Prozent der Befragten den Gesundheitswert der Brote positiv ein. Zwischen 40 und 55 Prozent unterschätzten jedoch den Fett- und Kaloriengehalt dieser Trendbrote. 42,9 Prozent der Befragten vermissen Informationen der Bäckereien über die Produkte.

In vielen Bäckereien oft nur kleine Infoschilder

Bei verpacktem Brot im Supermarkt müssen die Zutaten aufs Etikett gedruckt werden. Direkt in den dicht bestückten Regalen vieler Bäckereien stecken dagegen oft nur kleine Schilder mit Produktnamen und Preis.

Für mehr Informationen zu Inhaltsstoffen, Allergenen oder Kalorien gebe es eine einfache Lösung, heißt es beim Spitzenverband der Lebensmittelbranche BLL: das Verkaufspersonal fragen. Für Werbung mit Gesundheitsversprechen gilt in der EU eine verbindliche Liste mit erlaubten Aussagen. Doch die hat Feinheiten, wie Verbraucherschützer monieren. So bedeute »Ballaststoffquelle« bei Brot mindestens drei Gramm davon pro 100 Gramm, »ballaststoffreich« aber doppelt so viel.

Direkt am Produkt: Angaben zu Zutaten und Nährstoffen

Auch bei losen Backwaren sollten Kunden verlässlich Angaben zu Zutaten und Nährwerten bekommen, und zwar am besten per Schild direkt am Produkt. Bäckereien, aber auch Selbstbedienungsstationen in Supermärkten könnten das kreativ und lesbar ermöglichen. Denn viele Kunden wollten nicht erst im Internet oder Kladden nachschlagen.

Geschärft werden sollten auch Leitsätze im Deutschen Lebensmittelbuch, das die zu erwartende Beschaffenheit beschreibt, also eine Art Reinheitsgebot beispielsweise für Brotnamen.

Warum sich das Bäckerhandwerk querstellt

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks betont hingegen, es gebe bei unverpackter Ware aus gutem Grund andere Vorgaben. Denn je nach Größe der Bäckerei sei die Produktion nur mehr oder weniger standardisiert. Zutaten könnten je nach Rohstoffangebot leicht variieren und für jede kleine Rezepturänderung müssten dann neue Zutatenverzeichnisse und Schilder für sämtliche Filialen erstellt werden.

»Backstationen im Discounter können das vielleicht, da ihre vorgebackenen Teiglinge aus industrieller Herstellung stammen«, so der Zentralverband. Im Handwerk sei das dagegen nicht leistbar. Auch in Restaurants bekomme man ja keine Zutatenverzeichnisse aller Speisen. Agenturen/nd

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