- Politik
- Paragraf 219a
Kompromissvorschlag zu 219a angenommen
Regierungsparteien stimmen Gesetzesänderung zu / Kritik von LINKE, Grüne und FDP
Der Kompromissentwurf der Großen Koalition zum Paragrafen 219a wurde bei der heutigen Abstimmung im Bundestag mehrheitlich angenommen. 371 Abgeordnete stimmten ihm zu, 277 lehnten ihn ab. Der Entwurf sieht eine »Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch« vor, welche durch die Erweiterung des Paragrafen 219a um einen Ausnahmetatbestand gewährleistet werden soll.
Erstredner Karl Lauterbach von der SPD versuchte, die Verantwortung für die Gesetzesänderung der Regierungskoalition der Union zuzuweisen. Er betonte wie verzerrt die Perspektive auf Frauen und Ärzt*innen ist, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Eine klare Abschaffung von Paragraf 219a wäre richtig gewesen, sei aber mit der Union nicht machbar gewesen. Deutliche Worte hingegen fand Nicole Bauer von der FDP. Der Gesetzesentwurf sei eine »Verschlimmbesserung« und »beschämend«. Sie forderte ebenfalls eine konsequente Streichung des Paragrafen.
»Im Kern geht es um Kontrolle über Frauen«, sagte Cornelia Möhring von der LINKEN. Für empörte Reaktionen in den sozialen Medien sorgte Michael Friesinger von der Unionsfraktion. Laut Friesinger hätten Aktivist*innen in Deutschland noch nie Verbesserungen herbeigeführt. Lediglich die Unionsfraktion ließ erneut mehr männliche Abgeordnete als weibliche zu der Thematik Schwangerschaftsabbrüche zu Worte kommen.
In der ersten Lesung des Gesetzesentwurfs der Regierungskoalition am vergangenen Freitag war dieser seitens der LINKEN, der Grünen wie auch der FDP bereits heftig kritisiert worden. Die eingebrachten Gesetzesänderungen der LINKEN und der Grünen sehen eine gänzliche Streichung des Paragrafen vor, der Entwurf der FDP lediglich eine »Einschränkung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche«.
Die LINKEN-Abgeordnete Cornelia Möhring erinnerte daran, dass der Paragraf ein Relikt aus der Nazizeit sei. Außerdem sagte die Politikerin aus Schleswig-Holstein, dass durch die von der Großen Koalition beschlossene Gesetzesänderung ein rechtliches Risiko für Mediziner*innen bestehen bleibe, welche Abtreibungen vornehmen.
In der Vergangenheit wurden Ärzt*innen immer wieder auf Grundlage des Paragrafen 219a von Abtreibungsgegner*innen wie Yannick Hendricks angezeigt. Der Fall der Gießener Ärztin Dr. Kristina Hänel sorgte für Schlagzeilen. Die Medizinerin wurde im November vergangenen Jahres vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt. Hänel hatte bereits im Vorraus angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den neuen Paragrafen 219a klagen zu wollen, sollte dieser beschlossen werden.
Am letzten Montag kam zudem eine Ausschusssitzung zusammen, in der sich Rechtswissenschaftler*innen und Mediziner*innen zur geplanten Änderung äußerten. Unter ihnen herrschte nahezu Einigkeit, fast alle bewerteten den Entwurf als nicht zielführend. Bedenken hinsichtlich einer möglichen Verfassungswidrigkeit wurden vom Hamburger Juraprofessor Reinhard Merke geäußert.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.