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Hoch hinaus
Durch Aufstockung und Umnutzung könnten in Städten mehr als eine Million neue Wohnungen geschaffen werden
Bis zu 1,2 Millionen neue Wohnungen in innerstädtischen Lagen, ohne auch nur einen Quadratmeter neues Bauland auszuweisen und zu erschließen? Das klingt nach Alchemie, doch handelt es sich um das Ergebnis der »Deutschland-Studie 2019« der Technischen Universität Darmstadt und des Pestel-Instituts für Systemforschung, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
Nachdem in einer früheren Studie bereits die Potenziale durch Aufstockungen von Wohngebäuden aus den 50er und 60er Jahren untersucht wurden, hatten die Forscher diesmal vor allem eingeschossige Funktionsbauten (Supermärkte u.a.), Parkhäuser und -plätze, Industrie- und Logistik-brachen sowie Verwaltungsgebäude und nicht mehr marktfähige Büroflächen im Visier. Auftraggeber der Studie war das Verbändebündnis Wohnungsbau, dem vor allem Verbände der Bau- und Immobilienbranche, aber auch die IG BAU angehören.
Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut verwies auf die dramatische Diskrepanz zwischen dem wachsenden Wohnungsbedarf und der unzureichenden Neubautätigkeit. Bundesweit betrage der Fehlbestand mittlerweile eine Million Wohneinheiten, vor allem im unteren und mittleren Preissegment. Dazu kämen große regionale Disparitäten. Es nutze Wohnungssuchenden wenig, wenn »man in Frankfurt (Oder) Leerstände verzeichnet und in Frankfurt am Main Nettokaltmieten von 18 Euro und mehr inzwischen vielfach üblich sind«. Zwar könnten auch vertikale Nachverdichtungen auf bestehenden Gebäuden die Erschließung neuer Grundstücke nicht ersetzen, aber Bauland sei in vielen Metropolen ein knappes Gut und entsprechend teuer.
Die in der Studie ermittelten Potenziale sind erheblich. Bei der Aufstockung von Flachbauten ist von bis zu 400 000 Wohneinheiten die Rede, bei Büro- und Verwaltungsgebäuden sogar 560 000 durch Aufstockung und weitere 350 000 durch Umnutzung.
Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), forderte von den Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen, endlich für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen. Zwar habe der Bund bereits in der letzten Legislaturperiode die rechtlichen Möglichkeiten zur Ausweisung »urbaner Mischgebiete« für Gewerbe und Wohnen geschaffen. Doch diese seien in den Kommunen nicht oder nicht konsequent umgesetzt worden, woran bislang viele Projekte, zum Beispiel bei der Aufstockung von Supermärkten, scheiterten. Ferner gehörten starre Regelungen für Traufhöhe, Geschossflächenzahl, Abstandsflächen und Stellplätze auf den Prüfstand.
Natürlich müssten bei allen Projekten auch Belange des Umweltschutzes und der Erhalt beziehungsweise die Schaffung von Grün- und Erholungsflächen bedacht werden. Doch das in Deutschland weit verbreitete Leitbild der »aufgelockerten Stadt« müsse gründlich hinterfragt werden. Esser verwies auf das Ranking der »lebenswertesten Städte« in Europa. Dort lägen Metropolen wie Kopenhagen, Wien, Genf und Barcelona stets auf vorderen Plätzen, obwohl die Einwohnerdichte pro Quadratkilometer dort zwei bis vier Mal höher sei wie beispielsweise in Berlin.
Karsten Tichelmann, Fachbereichsleiter Architektur an der TU Dresden, erläuterte bei der Präsentation auch einige Beispiele für gelungene vertikale Nachverdichtung, zum Beispiel das ehemalige Haus der Wirtschaft in Köln, das jetzt 160 Wohnungen beherbergt, und einige auf Parkhäusern errichtete Kindertagesstätten. Generell böte vertikale Verdichtung nicht nur große Chancen für die Quartiersentwicklung, sondern auch enorme Kostenvorteile gegenüber klassischen Neubauten durch den Wegfall der Grundstückskosten.
Zum Verbändebündnis gehört auch der Deutsche Mieterbund (DMB), der an dieser Studie nicht beteiligt war. DMB-Geschäftsführer Ulrich Ropertz begrüßte aber gegenüber »nd«, dass man endlich auch die Nachverdichtung auf bestehenden Nichtwohngebäuden in den Fokus rücke. Angesichts des Wohnungsmangels in vielen Städten müssten diese Potenziale endlich konsequent genutzt werden.
Die Studie »Neue Wohnraumpotenziale« im Internet: www.impulse-fuer-den-wohnungsbau/studien
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