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»Sie kennen ihn nicht, ich kenne ihn«

Donald Trumps früherer Anwalt Michael Cohen belastet den US-Präsidenten schwer

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Ob Donald Trump sein Treffen mit Nordkoreas Diktator in Hanoi auch wegen der jüngsten Geschütze abrupt beendete, die gegen ihn zu Hause aufgefahren wurden, wird letztlich nur der US-Präsident wissen. Doch von dem wird die Wahrheit als letztes zu haben sein. Ein Wunder wär’s nicht. Denn was Trumps in Ungnade gefallener Anwalt Michael Cohen bisher im Abgeordnetenhaus in Washington unter Eid aussagte – die Anhörung dauerte bei Redaktionsschluss an –, zeigte mindestens zweierlei: Trump und Umfeld glichen im Wahlkampf einer Schlangengrube, in der Lügen und Intrigen den Tag bestimmten. Und: Cohen, der für den Boss manch Geschäft von rechtlicher Brisanz erledigte, belastete den Präsidenten vor dem Oversight Committee, dem Ständigen Untersuchungsausschuss, mit schweren charakterlichen und politisch relevanten Vorwürfen.
Deren Sprengkraft liegt nicht nur darin, dass sie von einem Insider kommen, der freilich selbst schon im Dezember wegen illegaler Wahlkampffinanzierung, Bankbetrugs und Steuerhinterziehung zu drei Jahren verurteilt worden ist und seine Haft im Mai antritt. Vielmehr legte bereits Cohens Eingangserklärung die Spur für künftige Ermittlungen durch Kongress, Staatsanwaltschaft und Medien gegen den Präsidenten. Cohen nannte Trump einen »Rassisten«, »Hochstapler« und »Lügner« und warf ihm kriminelle Verschwörung vor.
Er führte Vorgänge aus der Wahlkampfzeit 2015/16 an, die Trump gefährlich werden können – seine Geschäfte in Russland; kriminelles Aufbauschen seines Privatvermögens; Wissen um eine Schmutzkampagne, die Mitglieder seines Kampagneteams mit Wikileaks und russischen Kontakten gegen Konkurrentin Hillary Clinton betrieben. Und Trumps Auftrag an Cohen, illegale Schweigegeldzahlungen an zwei Frauen vorzunehmen, die behaupteten, sexuelle Beziehungen mit Trump gehabt zu haben. Für eine dieser Frauen, Pornodarstellerin »Stormy« Daniels, brachte Cohen die Kopie eines Schecks über 35 000 Dollar mit, von Trump am 1. August 2017 ausgestellt, ein halbes Jahr nach Amtsantritt. Noch im Februar 2018 habe der Präsident im Telefonat von ihm verlangt, Wissen und Beteiligung an der Stormy-Daniels-Zahlung abzustreiten, mithin zu lügen. Dieses gleichfalls neue Detail, das für Trump sowohl den Vorwurf illegaler Wahlkampffinanzierung als auch den der Vertuschung erhärten könnte, dürfte für kommende Ermittlungen größeres Gewicht erlangen.
In dem Maße, in dem Cohen seinen einstigen Chef angriff, sprangen die Republikaner für diesen in die Bresche und schmähten Cohen. Der Abgeordnete Mark Green empörte sich: »Der Starzeuge vor diesem Ausschuss ist ein Mann, der bald ins Gefängnis marschiert, weil er voriges Jahr den Geheimdienstausschuss belogen hat.« Cohen, auf solche Attacken eingestellt, suchte zu parieren, indem er den Republikanern jene blinde Gefolgschaft gegenüber dem Präsidenten vorwarf, die ihn selbst zu Fall brachte. »Ich habe genau diese Dummheiten begangen, die Sie jetzt begehen«, hielt er den Republikanern vor. In gut 500 Fällen habe er Personen und Organisationen auf Trumps Befehl einschüchternd bedroht, sagte Cohen und warnte vor diesem Präsidenten: »Wenn er sagt, er könne auf New Yorks Fifth Avenue jemanden erschießen, ohne dass es ihm schaden würde, sind das keine leeren Scherze. Sie kennen ihn nicht, ich kenne ihn.«
Die neue Abgeordnete der Demokraten im House, die 29-jährige Alexandria Ocasio-Cortez, richtete in der Befragung ihr Augenmerk auf die mögliche Strafwürdigkeit angesprochener »Aufbauschung von Trumps Privatvermögen«. Cohen bejahte ihre Frage, ob Trump überzogene Vermögenswerte angab und nannte drei Namen, die dies ebenfalls wüssten, darunter den als Schlüsselzeugen geltenden Allen Weisselberg, Finanzchef von Trumps Firmenkonsortium. Diesem wurde in der Ermittlung gegen Cohen Immunität zugesichert; seine Anhörung ist geplant.
Noch auf seiner Solo-Pressekonferenz zum Abschluss des gescheiterten Gipfels mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un in Hanoi nahm der Präsident zu Cohens Auftritt in Washington Stellung. »Das war schon eine ziemliche Schande«, erklärte Trump dünnhäutig. Es habe sich um eine »Fake-Anhörung« gehandelt, in der Cohen »sehr viel gelogen« habe. Er habe keine Beweise für geheime und verräterische Absprachen mit Moskau im Wahlkampf 2016 beigebracht. Trump rügte zudem den Zeitpunkt der Anhörung »mitten in diesem sehr wichtigen Gipfel«. Das sei »wirklich eine schlimme Sache«, so der Präsident. Trumps Entrüstung ist verständlich. Die Gewissheit neuer politischer Bedrohung für den 45. Präsidenten ist es auch.

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