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Cash statt verlegerischer Ehrgeiz
Ausverkauf beim Zeitungsverlag DuMont
Alfred Franz August Neven DuMont würde sich heute wohl im Grabe umdrehen. Er war einst Chef des über 400 Jahre alten Zeitungshauses, das sechstgrößte Deutschlands. 1964 gründete der Verleger den »Kölner Express«. Seit 1967 war er Herausgeber des »Kölner Stadt-Anzeigers«. Seit 1999 erschien die »Kölnische Rundschau« im DuMont-Verlag. Hinzu kamen die »Mitteldeutsche Zeitung« und die »Frankfurter Rundschau«. Dann der Zukauf der »Hamburger Morgenpost«, des Berliner Verlags mit »Berliner Zeitung« und »Berliner Kurier«, zudem mehrere Anzeigenblätter sowie eine 20-Prozent-Beteiligung an der israelischen Tageszeitung »Haaretz«. Die Madsack Mediengruppe und DuMont gründeten in Berlin eine gemeinsame Hauptstadtredaktion, das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Nun aber wollen nur vier Jahre nach dem Tod des großen Verlegers seine Erben Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte alles wieder verhökern. Man kann auch sagen: Cash statt verlegerischer Ehrgeiz.
Zuerst meldete der Branchendienst Horizont, dass der Kölner Verlag sämtliche Zeitungstitel abstoße. Demnach wolle sich die Mediengruppe auch von seinen Druckereien, zentralen Services und Anzeigenblättern trennen.
»Für mich heißt das zum weiteren Mal, wie wenig Wertschätzung den Beschäftigten bei DuMont entgegen gebracht wird, wenn sie morgens bei einem Branchendienst erfahren dürfen, dass alle Zeitungen der DuMont-Zeitungsgruppe verkauft werden sollen«, empört sich Cornelia Berger, Bundesgeschäftsführerin der Journalistenvereinigung dju in ver.di. Der ehemalige Chefredakteur Hans-Peter Buschheuer wirft dem Verlagshaus eklatantes Management-Versagen vor. Die digitale Zukunft sei schlicht verschlafen worden.
Der Kölner Verlag versucht indessen auffällig halbherzig die Wogen zu glätten. Eine Unternehmenssprecherin antwortet auf Anfrage: »Ende 2018 hat DuMont seine Neuausrichtung zu einer Mediengruppe mit drei Geschäftsfeldern planmäßig abgeschlossen. Diesen Zeitpunkt nutzen wir, um die zukünftige Strategie des Gruppenportfolios zu entwickeln und somit die zukunftsfähige Aufstellung des Unternehmens sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund werden derzeit verschiedene Handlungsoptionen entwickelt. Dies beinhaltet unter anderem auch die mögliche Veräußerung von Teilen des Portfolios der Mediengruppe. Aktuell gibt es weder konkrete Ergebnisse noch Entscheidungen dazu.«
Der Verkauf scheint also sicher. Dass die Meldung schon vor jeglicher Konkretion die Kölner Konzernzentrale verlassen hat, kann auch als gezielte Verkaufsstrategie gewertet werden. Seht her, hier ist was zu holen!
Aber wie viel Schnäppchen? Zumindest die Branche ist in heller Aufregung. Der verstorbene DuMont-Patriarch schätzte den Wert seines Unternehmens noch auf gut eine Milliarde Euro. Heute liegt er allerdings deutlich darunter. Der Branchendienst meedia.de rechnet vor, dass die Regionaltitel im Vergleich der vierten Quartale zwischen 2008 und 2018 von 1072.220 Exemplaren auf 605.633 Exemplare bei Abo und Einzelverkauf gesunken sind. Die Zahlen für die Boulevardzeitungen aus dem Hause DuMont sind noch weitaus schlimmer: Der »Express« für Köln, Düsseldorf und Bonn verlor 57,1 Prozent. Andere Wirtschaftsquellen beziffern den Wert des gesamten Medienhauses bei knapp 130 Millionen Euro.
Die einzelnen DuMont-Zeitungen könnten also zu Ramschartikeln werden. Wie wird das Kölner Zeitungsfell aber nun verteilt? Das Medienhaus Axel Springer mit »Bild« und »Welt« scheidet wohl aus kartellrechtlichen Gründen aus, ähnlich wie die »Rheinische Post« aus Düsseldorf. Denkbar wäre als Käufer die Funke-Gruppe aus Essen, die damit ihre Macht als NRW-Zeitungsgruppe verstärken könnte. Wer aber möchte den wenig attraktiven Berliner Verlag? Die Verlagsgruppe Madsack aus Hannover dürfte bevorzugt zuschlagen, zumal man mit dem Redaktions-Netzwerk Deutschland schon mit DuMont kooperiert.
Für Horst Röper, Medienforscher und Geschäftsführer des Formatt-Instituts in Dortmund, kommt die Meldung nicht überraschend. Es sei bekannt gewesen, dass DuMont schon im letzten Jahr über Kooperationen und womöglich Teilverkäufe verhandelt habe. Noch gebe es keine Region, ohne lokale Berichterstattung von Zeitungen. Aber der DuMont-Komplett-Zeitungsverkauf könne ein Warnsignal sein. Wenn der Markt die Versorgung mit Journalismus nicht mehr leiste, sei das ein klassisches Marktversagen. Ob da aber nun die Politik regulativ eingreifen soll, etwa in Gestalt einer öffentlich-rechtlich geförderten Zeitung, ist unter Medienschaffenden hoch umstritten.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bezeichnet den möglichen Verkauf zumindest als »verlegerischen Offenbarungseid«. Dem kann sich auch Cornelia Berger anschließen: »DuMont tut das, was wir auch bei anderen großen Medienhäusern immer wieder beobachten, nämlich das Fehlen von jeglicher publizistischer Verantwortung. Dass die Demokratie ordentlich weiter geht, dafür brauchen wir eine Meinungsvielfalt als Teil der Pressefreiheit. Bei DuMont gilt aber jetzt: Verantwortung, damit haben wir nichts zu tun. Wir wollen ganz viel Geld machen, um unsere Erben zu bedienen. Ein Trauerspiel!«
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