Tedescos allerletzte Chance

Auch der neue Schalker Sportvorstand will den Trainer trotz Ergebniskrise nicht feuern - noch nicht

  • Andreas Morbach, Gelsenkirchen
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf dem Vereinsgelände des FC Schalke 04 herrschte am Dienstagmittag eine sehr friedliche Stimmung. Der Himmel über dem Berger Feld erstrahlte angemessen in Blau und Weiß, auf dem Parkplatz vor der Arena lag der Stadionrasen lässig ausgebreitet in der Sonne. Es sah aus, als erhole sich das Geläuf vom letzten Wochenende - an dem das Grün vor allem von den Schalker Fußballern beim 0:4 gegen Aufsteiger Düsseldorf furchtbar malträtiert worden war. Gestört wurde die heimelige Atmosphäre nur durch den scharfen Wind, der um den Fußballtempel pfiff.

Es war der thematisch passende Empfang für Jochen Schneider, der - in dunkelblauem Pullover, dunkelblauem Jackett und weißem Hemd - beim abstiegsbedrohten Revierklub seinen ersten offiziellen Auftritt als neuer Sportvorstand hatte. Das unvorstellbar schlechte Spiel des amtierenden Vizemeisters gegen die Fortuna aus der Nachbarschaft hatte der 48-Jährige drei Tage zuvor live vor Ort verfolgt. »Das war sehr betrüblich, sehr enttäuschend«, berichtete der gebürtige Schwabe, dessen Hoffnungen auf einen etwas entspannteren Einstand sich in beeindruckender Weise im Nichts auflösten. »Das Schwierige«, weiß Schneider, »ist die sportliche Situation. Es hätte einfacher, hätte schöner sein können. Das ist es aber nicht.«

Und weil das so ist, wartet auf Trainer Domenico Tedesco nach 20 Monaten auf Schalke am Freitag in Bremen sein persönliches Finale. »Wir müssen alles in dieses Spiel legen, der nächste Freitag ist ein ganz wichtiger Tag für uns«, betonte Schneider - und machte Tedesco, den er noch aus gemeinsamen Zeiten beim VfB Stuttgart kennt, wenig Hoffnung auf eine weitere Galgenfrist über diesen 8. März hinaus: »Es geht um eine Trendwende, und der Trend in den letzten Wochen war nicht gut. Deshalb bringt es auch nichts, zu sagen: Wir warten die nächsten zwei, drei, vier Spiele ab. Das ergibt keinen Sinn.«

In Gelsenkirchen drücken sie sich in diesen Tagen die Daumen wund, damit Schalke nach dem Rücktritt von Schneiders Vorgänger Christian Heidel vor knapp zwei Wochen und dem anschließenden Doppeldesaster in Mainz (0:3) und gegen Düsseldorf irgendwie in die Erfolgspur zurückkehrt. Nur dann müsste der Verein neben einem neuen Sportdirektor und einem Technischen Direktor, die Schneider ab sofort sucht, nicht auch noch Ausschau nach einem neuen Cheftrainer halten.

Die Idee, den Revierklub auf der Führungsebene breiter aufzustellen - so wie es zahlreiche Konkurrenten längst machen -, habe er bereits 2017 an Heidel herangetragen, berichtete Aufsichtsratschef Clemens Tönnies bei Schneiders Vorstellung. »Das hat er abgelehnt«, erwähnte Tönnies grimmig. Nun erfolgt die personelle Expansion mit Verzögerung. Falls der Tabellen-14. zum Start ins Wochenende sein - in diesem Fall positives - blaues Wunder an der Weser erlebt und das sinkende Boot auf die Schnelle wieder trocken bekommt, dürfte auch Tedesco weiter dabei bleiben.

Fürs Erste. Denn fest steht auch, dass der wenig attraktive Defensivstil, mit dem der Trainer die Königsblauen in der Vorsaison auf Rang zwei führte, nicht das Modell der Schalker Zukunft ist. Damit Jochen Schneider den Job in Gelsenkirchen antreten konnte, mussten zunächst RB Leipzig einwilligen, ihren Leiter für den Bereich Sport und Internationalisierung auf der Zielgeraden der Saison ziehen zu lassen. »Sie wissen, wo ich die letzten dreieinhalb Jahre verbracht habe«, antwortete Schneider nun auf die Frage, welche Spielphilosophie er sich für Schalke vorstelle - und ob Tedesco dafür der geeignete Trainer sei.

Das sei er tatsächlich - er könne es zumindest sein -, lautete die Antwort des neuen Sportvorstands, der sich nochmals an die Zeit im Ländle erinnerte. »Ein kluger Trainer lässt immer den Fußball spielen, den der Kader hergibt. In Stuttgart und Hoffenheim hat er sich immer nach dem gerichtet, was ihm zur Verfügung stand«, erwähnte Schneider, der dem 33-jährigen Tedesco den aggressiven Offensivstil à la RB Leipzig durchaus zutraut. Das schließe sich jedenfalls nicht aus.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.