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Russland-Bashing als Geschäftsmodell
Für Petra Erler herrscht ein Informationskrieg. Das Ziel: Menschen, die der westlichen Moskau-Politik widersprechen
In der Analyse, was Deutschland und Russland trennt, wie tief die Konflikte gehen, haben wir eine gewisse Meisterschaft erreicht. Immer ist der andere schuld. So erscheint die Konflikteskalation zwangsläufig. Aber es gibt eine Alternative, wie J.F. Kennedy am 10. Juni 1963 betonte. Er plädierte dafür, das Verbindende zwischen zwei unversöhnlichen Gegnern zum politischen Ausgangspunkt zu machen, den geteilten menschlichen Wunsch nach Frieden und Zukunft. Gegensatz und Konflikt den Vorrang zu geben, war für Kennedy inakzeptabel, da das zur nuklearen Selbstvernichtung führen kann. Er reichte damals der Sowjetunion die Hand. Kennedy dachte an ein globales System von Staatenbeziehungen, das selbst diametrale Ideologien und schwere Konflikte aushält. Seine Vorstellung war nicht auf eine sogenannte liberale Ordnung verengt. Erst Gorbatschow trat mit seiner Rede vor der UNO 1988 gewissermaßen das Erbe Kennedys an. Er schlug zudem vor, das Profitstreben in eine neue Richtung zu lenken: von einer Wirtschaft der Aufrüstung hin zu einer Wirtschaft der Abrüstung, die zivilisatorischen Bedürfnissen genügt.
Was wäre passiert, hätte Kennedy seine Überlegungen heute, nunmehr zum US-amerikanisch-russischen Verhältnis, geäußert? Mit großer Sicherheit das, was allen entgegenschlägt, die einer Konflikteskalation mit Russland entgegentreten: Ihm wäre das Wort im Mund herumgedreht, er wäre als »Putinversteher«, »nützlicher Idiot« oder »trojanisches Pferd« des Kremls gegeißelt worden.
Es herrscht nämlich ein Informationskrieg. Eine Prämisse lautet: Wenn es um Russland geht, muss man immer vom Schlimmsten ausgehen. Folglich ist jeder, der über Alternativen zur aktuellen Politik gegenüber Russland nachdenkt, längst dem Einfluss des Kremls erlegen oder zum Gegner geworden. Prominentestes Beispiel ist der US-amerikanische Präsident. Man kann und muss Trump aus sehr vielen Gründen politisch angreifen. Wegen Russland aber ist er einer beispiellosen Hetzjagd ausgesetzt. Wir stecken fest in einer »postfaktischen« Politik, die die Verdächtigung zum Beweis erklärt, Aufrüstung das Etikett Friedenssicherung anklebt, Solidarität sagt und Vasallentreue meint.
Appell für »Putin-Russland« - so fasste die »Süddeutsche Zeitung« am 10. Oktober eine Rezension des Buches »Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen« zusammen. Die SPD wurde im »Tagesspiegel« vom 17.1. 2019 wegen der legitimen Befürchtung, das Ende des INF-Vertrages könnte zu einer neuen Rüstungsspirale führen, höhnisch als »Friedenspartei« abgewatscht. Obwohl das Grundgesetz allen aufgibt, für Frieden zu sorgen und die UN-Charta zu respektieren.
Russland-Bashing ist längst ein Geschäftsmodell. Wie Pilze schießen Initiativen aus dem Boden, die sich als Gesinnungswächter aufspielen. Die geheime »Integrity Initiative« plante, Millionen Twitternutzer auszuspähen, um ihre politischen Einstellungen zu ermitteln. Mit Softwarelösungen, über die sonst nur Polizeien verfügen, ohne jede demokratische Kontrolle. 2001 sprach keiner über die KGB-Vergangenheit Putins. Heute wird sie uns permanent ins Hirn gehämmert. Denn Putin ist kein Skripal, hat sich nicht vom MI 6 kaufen lassen, muss also immer ein Feind geblieben sein.
Sind die Russen noch Teil der menschlichen Gemeinschaft? Die russische Führung habe die »Logik eines Skorpions«, »die Natur eines Hais«, stand in ukrainischen Medien. Putin zierte als Krake das Titelblatt des »Economist«. In einem Papier der »Integrity Initiative« hieß es: »Die aktuell in Russland herrschende alte sowjetische Elite hat keinen moralischen Kompass. Diese Leute messen dem menschlichen Leben keine Bedeutung bei oder gar höheren menschlichen Gefühlen wie Respekt, Würde und Ehre außerhalb ihres kleinen Kreises.« Was bedeutet das für die Natur der Russen, die »diese Leute« immer noch wählen?
Kennedy fragte, was uns trotz tiefer politischer Differenzen verbindet. Seine Antwort zeigt die politische Alternative zum gefährlichen Jetzt. Damit würde sich auch die Debatte erledigen, wer zur Friedensbewegung gehört. Die absolute Mehrheit der Menschheit. Die braucht starke Stimmen. Überall. Jeder kann etwas tun, täglich ein Zeichen setzen: am Revers, als Taschenanhänger .... Der eigentliche demokratische Auftrag lautet, den Wunsch und die Pflicht zum Frieden zu verteidigen.
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