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Von Mackerkultur und Rampensäuen
Gewerkschaften rufen nicht zum Frauenstreik auf. Sie täten aber gut daran, sich den widerstandslustigen Frauen aus den Streikbündnissen anzunähern, meint ver.di-Gewerkschaftssekretärin Yanira Wolf
Wir streiken! Denn Demonstrationen und Appelle reichen nicht mehr, finden die bundesweiten Frauenstreikbündnisse und wollen die Proteste rund um den Frauentag radikalisieren. Aber es gibt ein Problem: Bei der Frage, wie sich dafür andere gesellschaftliche Mitstreiter*innen gewinnen lassen, bleiben ihre Ideen wenig zielführend. Die Organisator*innen appellieren zwar an Gewerkschaften als Bündnispartner - wohl auch deshalb, weil es in Deutschland kein individuelles Streikrecht gibt. Nur ein von Gewerkschaften ausgerufener Streik gilt als legitim, und nur in diesem Fall dürfen Arbeitgeber*innen die Teilnahme daran nicht sanktionieren.
Dabei reproduzieren die Frauenstreikbündnisse ihre eigene Kritik an einem hierarchischen Gewerkschaftsapparat, wenn vor allem Gewerkschaftsspitzen dazu aufgefordert werden zum Streik aufzurufen. Viel wichtiger wäre hingegen, möchte ich argumentieren, am eigenen Arbeitsplatz anzufangen und differenziert auf die Kräfte und Strömungen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung zu blicken. Hier für Mehrheiten zu streiten, bedarf der kontinuierlichen Arbeit innerhalb der Strukturen, sei es in Betriebsgruppen, in (frauen)politischen Gremien, bei Tarifauseinandersetzungen.
Gewerkschaften haben viele Möglichkeiten, sich feministischen Themen zu widmen, sogar niedrigschwelliger und beteiligungsbreiter, als das ein Streik tut. Haupt- wie ehrenamtliche Gewerkschafter*innen haben die Radikalisierung frauenpolitischer Proteste um den 8. März aufgegriffen. An vielen Orten planen sie betriebsnahe Aktionsformen, um erste Akzente zu setzen - von der »aktiven Mittagspause«, einem Informationsstand oder einem Sticker an der Jacke über Fortbildungen während der Arbeitszeit bis hin zur gemeinsamen Teilnahme an Demonstrationen. Frauen, die Care-Arbeit leisten, also Alte, Kinder und Pflegebedürftige betreuen, wollen sogenannte Überlastungsanzeigen schreiben. Langfristig sind Betriebs- und Frauenvollversammlungen rund um den 8. März angedacht, es geht also in den kommenden Jahren weiter.
Das alles macht deutlich, wie brisant und aktuell das Anliegen auch bei Gewerkschafter*innen ist. Viele bewegt, dass weiterhin Frauen vor allem diejenigen sind, die im Hintergrund arbeiten, während Männer die zentralen Positionen innehaben. Das wirkt sich auf die Entscheidungen aus, welche Themen als tarifierbar gelten und in welche Kämpfe gewerkschaftliche Ressourcen fließen.
Es lohnt aber auch, sich die Kultur in Organisationen genauer anzuschauen: Wenn bis heute eine Mackerkultur des breitbeinigen Auftretens und des Harte-Ansage-Machens gefeiert wird, wird das einer offenen und diversen Gewerkschaftsbewegung nicht gerecht. Den Menschen sowieso nicht. Gewerkschaftsarbeit ist nicht nur Tarifkampf oder konfliktreiche Betriebsauseinandersetzung. Individuelle wie kollektive Konfliktfähigkeit wurzeln in erfahrener Solidarität und Alltagskämpfen. Es ist notwendig, die kontinuierliche Beziehungsarbeit ernst zu nehmen, die Menschen in ihren Emanzipationsprozessen unterstützt, für sich selbst einzustehen. Gewerkschaft in diesem Sinne ist das Wertschätzen der vielen Akteur*innen im Hintergrund, ebenso wie die Arbeit der Rampensäue. Es braucht beides.
Vieles hat sich schon verändert: So haben sich Tarifkämpfe deutlich auf weiblich geprägte Berufsfelder verschoben. Frauen sind in Tarif- und Betriebsauseinandersetzungen der vergangenen Jahre immer sichtbarer und kämpferischer geworden. Sie sagen klar und deutlich, dass Lohnerhöhungen allein als Forderung nicht reichen. Ihnen geht es auch um Anerkennung von Arbeit, um konkrete Entlastung im Berufsalltag und um Arbeitszeitverkürzung.
Letztlich geht es darum, verstärkt die Themen, die insbesondere Frauen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Lage beschäftigten, ernst zu nehmen und nach vorn zu stellen. Es gilt, die aktiven Frauen in gewerkschaftlichen Strukturen zu unterstützen oder ihnen einfach Platz zu machen. Dazu gehört auch, Tarifforderungen geschlechterkritisch zu betrachten. In der Arbeitszeitdebatte beispielsweise wäre darüber nachzudenken. Bei Doppelbelastung helfen weitere einzelne freie Tage im Jahr weniger als eine kontinuierliche Arbeitszeitreduzierung über die Woche. Denn Hausarbeit und Kinderbetreuung lassen sich nur begrenzt auf freie Tage verschieben. Die Entlastung muss jeden Tag spürbar sein.
All diese Themen zielen auf eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung ab - und erfordern eine hohe Schlagkraft. Gerade in Kitas, Schulen oder Krankenhäusern greift die altbewährte »Alle Mann vors Tor - Band steht still«-Taktik nicht. Berufliches Verantwortungsgefühl und reale Gefahren für anvertraute Personen erfordern neue Kampfformen, um Gegenmacht aufzubauen. Ökonomischer Druck muss vielmehr durch öffentlichen Druck ergänzt werden.
Das geht nicht ohne Verbündete. Gewerkschaften müssen ihr politisches Mandat ernst nehmen und ihr Selbstverständnis als soziale Bewegung stärken. Sie kommen nicht um die aktive Mitgestaltung gesellschaftlicher Bündnisse und Netzwerke herum, denn in den zukunftsweisenden Kämpfen wird es mehr als betriebliche Auseinandersetzungen brauchen. Gewerkschaften täten daher gut daran, sich den widerstandslustigen und tatkräftigen Frauen und Queers aus den Frauenstreikbündnissen anzunähern und die eigenen wütenden Frauen dabei zu unterstützen, ihre Themen zu setzen.
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