Die lahme Ente von Freiburg

Schon Ballack und Frings sortierte der undurchschaubare Joachim Löw einst aus. Er klebt am Amt, findet Christoph Ruf

Es hat in Freiburg keine Klagen gegeben, wie sie unter der Woche in München aufkamen. Niemand hat sich beschwert, dass er innerhalb von zwei Minuten abserviert wurde, niemand hat behauptet, der Bundestrainer habe mit ihm gesprochen, ohne ihn auch nur einmal anzuschauen.

Löw ist am Samstag zwar zum Spiel des SC Freiburg gegen Hertha BSC gekommen, aber er hat nicht viel gesagt. Den Journalisten schon gar nicht. Dass er sich das Spiel anschauen würde, war hingegen klar: Denn die Partie passte wunderbar in das Schema der Spiele, die er sich gerne gibt, um eine fundierte Auswahl bei der Zusammenstellung seines Nationalmannschaftskaders treffen zu können. Zum einen muss ein solches Spiel in Freiburg stattfinden, also da, wo er wohnt und wo sich die Menschen noch freuen, wenn sie ihn sehen. Und zum anderen dürfen unter den 22 Akteuren auf keinen Fall Spieler sein, die für einen Einsatz in der Nationalmannschaft in Frage kommen.

Normalerweise ist Löw deshalb fast immer im Schwarzwaldstadion, auch gegen Berlin, wo immerhin Niklas Stark mittut, oder gegen Augsburg, wo mit Philipp Max ein Spieler kickt, den alle für nationalmannschaftstauglich halten. Alle außer Löw. Der ist in Freiburg oft mit Sonnenbrille im Stadion. Vielleicht, weil es dann nicht so auffällt, wenn man seinem Gegenüber nicht in die Augen schaut. Dass der Mann gerne Fußball schaut, ist schon mal eine gute Voraussetzung für den Job als Bundestrainer. Und vielleicht denkt er ja auch einfach nur weiter als seine Kritiker. Denn wie will man künftige Nationalspieler entdecken, wenn man sich nicht im Pool derer umschaut, die eben noch keine Länderspiele haben? Und wer weiß, vielleicht lässt sich ja der italienische Nationalspieler Vincenzo Grifo, der wieder in Freiburg spielt, doch noch davon überzeugen, Deutscher zu werden. Bei einem Espresso oder so.

Wobei, so ganz von der Hand zu weisen ist es natürlich nicht, dass Löw nicht unbedingt zu den Konfliktfreudigsten im Lande gehört. Müller, Hummels und Boateng hat er vergangene Woche immerhin noch persönlich mitgeteilt, dass ihre Zeit um ist, das war Spielern wie Torsten Frings oder Michael Ballack nicht vergönnt. Frings wurde zwei Jahre lang, von 2010 bis 2012 hingehalten. Genau so lange, bis ihn so viele Medien zur »lame duck« (lahme Ente) erklärt hatten, dass auch Löw sich aus der Deckung wagen konnte. Bei Ballack lief es noch unwürdiger. Da wurde die Allianz mit Philipp Lahm gesucht und gefunden. Ausgerechnet den ewigen Konfirmanden schickte man vor, um Ballack abzuservieren.

Bei Ballack und Frings konnte sich Löw einst noch sicher sein, dass seine Feigheit ihm nicht schaden würde. Die beiden, wiewohl hervorragende Kicker, galten als polterige Vertreter eines Oldschool-Fußballs, deren Zeit gekommen war. Nun, zehn Jahre später, geht es vielen genau so mit der von Löw in unendlichen »Scho’ au’«- und »Ma’ sag’n«-Kaskaden versteckten Substanzlosigkeit. Falls irgendjemand verstanden hat, woran genau Löw das Ausscheiden bei der WM in Russland festmacht, oder was er selbst künftig besser machen will - möge er sich melden! Die nicht eben logische, aber aus der Politik bekannte Verhaltensweise, angeblich »die Verantwortung zu übernehmen«, de facto aber an seinem Amt zu kleben, passt da ganz gut ins Gesamtbild. Nichts sagen, keine Fehler eingestehen und ausharren - es gibt tatsächlich erstaunliche Parallelen zwischen dem Bundestrainer und der Kanzlerin.

Es gibt aber auch Unterschiede. Während die Kanzlerin nach krachenden Niederlagen einfach so tut, als sei nichts passiert, verkrümelt sich der Bundestrainer einfach eine Weile. Zum Beispiel neun lange Wochen, als »gründliche Analyse« verpackt, nach dem WM-Aus. Nur um dann ein paar Allgemeinplätze abzusondern, die jeder WM-Korrespondent schon aus dem Stadion in Kasan hätte schicken können.

Und natürlich ist es kein Zufall, dass sich Löw nach dem Medienecho am Wochenende lieber dem widmete, was den Alltag eines Bundestrainers nach Ansicht vieler Ligakollegen sowieso prägt: seiner Freizeit.

Wobei Löw am Wochenende schon auch gezeigt hat, dass er lernfähig ist. Er hat sich regelrecht in die Arbeit gestürzt. Am Sonntag spielten nämlich noch ein paar Vereine, deren Sportplätze für Löw von seinem Freiburger Domizil aus auch ganz prima zu erreichen sind. In der Verbandsliga Südbaden hatten sowohl der FC Auggen als auch Rot-Weiß Stegen Heimrecht.

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