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Eine Wehrmachtsheldengeschichte
»Trautmann«: Ein kreuzbraves und revisionistisches Biopic über einen deutschen Fußballtorwart in England
Ich hätte lieber mit dir getanzt, als auf dem Schlachtfeld zu stehen, aber ich hatte nicht die Wahl», erwidert Bert Trautmann (David Kross) seiner britischen Freundin Margaret (Freya Mavor) auf den Vorwurf, er und die Deutschen hätten ihr mit dem Krieg die Jugend geraubt. Statt zu tanzen und zu feiern habe man sich im Luftschutzkeller verstecken müssen.
Eine filmische Auseinandersetzung mit Bernhard Carl «Bert» Trautmann, dem Mann, der als deutscher Wehrmachtssoldat in britische Kriegsgefangenschaft geriet, nach seiner Entlassung in England blieb und zu einem der weltbesten Torhüter seiner Zeit avancierte, hätte viele Möglichkeiten reflektierter Auseinandersetzung geboten. Stattdessen inszeniert Regisseur Marcus Rosenmüller («Wer früher stirbt, ist länger tot») ein kreuzbraves Biopic mit dem handelsüblichen guten Deutschen als Hauptfigur, einem englischen Kommandeur als Unsympath und Tränendrüsenattacken jenseits der Kitschgrenze.
Von einzelnen Rückblenden unterbrochen, erzählt der Film die Karriere Trautmanns nach, von der Haftzeit über erste Gehversuche in einer lokalen Fußballmannschaft bis zu seinem Engagement beim Verein Manchester City, bei dem er schließlich über 550 Mal zum Einsatz kam. Daneben versucht der Film, seinem Protagonisten vor allem privat nahe zu kommen. Gezeigt wird ein weitgehend harmonisches Familienleben, das plötzlich durch den Unfalltod von Trautmanns kleinem Sohn zerstört wird. Doch der tapfere deutsche Kämpfer überwindet - selbstverständlich! - die Krise, kehrt zurück auf den Fußballplatz und wird zum gefeierten Star - auch weil er in einem Finalspiel trotz Genickbruchs weiterspielt.
Trautmann schlägt von Seiten der Fans seines Vereins Manchester City allerdings zunächst offene Feindseligkeit entgegen: einen ehemaligen deutschen Wehrmachtssoldaten und Träger des Eisernen Kreuzes will man nicht so einfach in die eigenen Reihen aufnehmen. Statt jedoch zu zeigen, dass die Menschen gute Gründe hatten, die monströsen deutschen Mörder zu hassen, und klarzumachen, dass Wehrmachtsangehörige nicht einfach x-beliebige feindliche Soldaten, sondern die Vollstrecker eines einzigartigen Millionenverbrechens waren, versteift sich der Film darauf, Vergebung einzufordern, Trautmann als durch und durch guten, «anständigen» Mann zu präsentieren und in Person von unter anderem Trautmanns Ehefrau den Kritikern vorzuhalten, sie seien auch nicht besser als der Kritisierte. Diese Argumentation lässt der Film so stehen und setzt damit die Kritiker der nationalsozialistischen Mörder mit selbigen in eins - da möchte man das Kino schon verlassen.
Mit kaum einem Bild zeigt Regisseur Rosenmüller seinen Helden im mörderischen Fronteinsatz, obwohl dieser ab 1941 dauerhaft an Kampfhandlungen teilgenommen hatte. Weder seine nationalsozialistische Sozialisation (Trautmann war Mitglied im Jungvolk und später in der Hitlerjugend) noch seine steile Militärkarriere mit Einsätzen beim Polen- und Russland-Feldzug und in Frankreich wird problematisiert. Auch Trautmanns Kriegsbegeisterung, die sich in mehrfachen Freiwilligenmeldungen dokumentiert und die ihm schließlich eine Beförderung bis zum Feldwebel bescherte, scheint nicht weiter von Belang. Da kann man nur noch staunen. Stattdessen konzentriert sich der Film auf eine Romanze zwischen Trautmann und der Tochter seines ersten Trainers, die später auch seine Ehefrau und Mutter seiner Kinder wird. Auch hier wird Trautmann als harmloser und liebevoller Schönling präsentiert, der keiner Fliege etwas zu Leide tun kann.
Später hadert er zwar mit der eigenen Vergangenheit, allerdings wird seine ohnehin ziemlich unmotivierte Reflexion ins Private verlegt und verliert damit die politische Dimension: Einem kleinen Jungen, der von einem SS-Mann erschossen worden war, hätte er, so meint Trautmann, das Leben retten können, und den Verlust seines eigenen Sohnes empfindet er als Strafe für seine damalige Untätigkeit. So bleibt die deutsche Heldenfigur ungebrochen, während die Leichenberge, die er und seine Wehrmachtskameraden hinterlassen haben und die ihm als Kriegsgefangenem einmal von dem sinistren englischen Kommandeur in einem Film vorgeführt werden, wirken, als kämen sie von einem anderen Planeten.
Einen mutloseren Film, der sich im Übrigen auch ästhetisch nichts traut (immer muss es regnen, wenn es dramatisch zugeht, und wo ein böser SS-Mann auftaucht, verliert die Welt sofort die Farbe), hätte man zu der Thematik nicht drehen können, aber vielleicht sollte man Deutsche einfach keine Filme über die eigene nationale Vergangenheit produzieren lassen - es kommen zuverlässig unerträgliche Wehrmachtsheldengeschichten dabei heraus. Wenn nicht gerade «Unsere Mütter, unsere Väter» reingewaschen werden, dann eben ein Kriegsfanatiker mit Eisernem Kreuz, der später ein berühmter Fußballtorwart wurde.
«Trautmann», Deutschland/Großbritannien/Irland 2018. Regie: Marcus H. Rosenmüller. Darsteller: David Kross, Freya Mavor. 120 Min.
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