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Ärger lohnt im Wochenrhythmus
Anfang der Woche wurde bekannt, dass ein neuer Bericht zum Zustand der »Hauptwaffensysteme« der Bundeswehr als geheim eingestuft wurde. Der Generalinspekteur Eberhard Zorn tönte diesbezüglich sinngemäß, dass Transparenz hier weniger der demokratischen Kontrolle durch öffentliche Meinungsbildung diene, sondern - man ahnt es - dem Feind, dem potenziellen. Könne doch dieser aus solchen Berichten »Rückschlüsse auf die aktuellen Fähigkeiten der Bundeswehr« ziehen, sodass »eine Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik schädigen« werde.
Nun wunderten sich die Abgeordneten und fragten einander: Glaubt eigentlich der Generalbundeswehrinspektor ganz im Ernst, dass dieser potenzielle Feind aufgeschmissen im Dunkeln tappt, sobald jener grandiose Bericht nur noch im sagenhaften Berliner Geheimniszimmer ausliegt? Geht es hier vielleicht um eine zweite Runde in der sogenannten Spiegel-Affäre, die sich ja auch darum drehte, dass realistische Berichte über den Zustand der Truppe als hochsensible Verratshandlungen verfolgt werden sollten? Will man dem Militärgeheimdienst, der sich momentan so notgedrungen wie gelangweilt über vollständig überzogene Presseberichte zu rechtsradikalen Schattenverbünden im eigenen Laden zu beugen gezwungen ist, endlich mal ein lohnendes Ziel vors Periskop schieben, nämlich die Volksvertretung? Oder kalkuliert der Herr Zorn beziehungsweise die hinter und über ihm, dass ein guter Schuss knarzige Kommissköpfigkeit einfach gut hineinpasse in die gegenwärtige Großgefühlslage der Nation?
An all dem mag ja was dran sein, vielleicht, mutmaßlich, anzunehmen. Doch zeigte sich zwei Tage später, warum sich politische Aufregung oft eher im Wochen- denn im Tagesrhythmus lohnt: Da verkündeten nämlich die Noch- und die Nochnichtkanzlerin in einem geschickt ausbaldowerten PR-Pingpong, sie stünden der Idee eines europäischen, vulgo deutsch-französischen Flugzeugträgers aufgeschlossen gegenüber. Und wer nun etwas weiterschaute, stieß alsbald auf die Nachricht, dass eine Sanierung des bestehenden französischen Exemplars gerade erst eine Milliarde verschlungen hat.
Schiff, Kosten, Öffentlichkeit - klingelt’s nun bei Ihnen? Die Effizienz der maritimen Industrie mit Bendlerblockbezug hat jüngst ja schon die Frage aufgeworfen, ob die Kosten für diesen Kahn erst kurz nach oder bereits vor der ersten Schweißnaht in den Milliardenbereich vorstoßen - von der dann irgendwann drohenden Sanierung abgesehen. Da sind Informationen, die irgendwelche »Rückschlüsse« zulassen, halt etwas sensibel. Und die freie Presse? Die kann sich weiter mit dem Millionengrab »Gorch Fock« befassen. Wenn man den Windjammer nicht bald zum Hauptwaffensystem ernennt.
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