Macron im Aufwind

Mit seinen Bürgerdialogen konnte sich Frankreichs Präsident aus dem Umfragentief befreien

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 3 Min.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist wieder im Aufwind. Die »Große nationale Debatte«, die er Anfang des Jahres als Ausweg aus der innenpolitischen Krise eingeleitet und am Wochenende offiziell abgeschlossen hat, wurde zu einem unerwartet großen Erfolg. Macron hatte sie im Dezember auf dem Höhepunkt der Protestaktionen der Gelben Westen angekündigt, um die Masse der Franzosen mit ihren Klagen und Vorschlägen zu Wort kommen zu lassen und den Weg für Verbesserungen zu weisen. Damit konnte der zeitweise in die Enge geratene Präsident wie erhofft die Initiative zurückgewinnen.

Die nach demokratischen Regeln organisierten Debatten sollten eine Ergänzung und ein Gegengewicht zu den spontanen und oft in Gewalt ausgearteten Protesten auf der Straße bilden. Dass dies über Erwarten gelungen ist, hat Macron nicht zuletzt sich selbst zuzuschreiben. Seine live im Fernsehen übertragenen Einsätze bei Debatten in den 13 Regionen des Landes, bei denen der Präsident bis zu sieben Stunden lang souverän Rede und Antwort stand, haben beeindruckt und sogar eine deutliche Verbesserung seiner Umfragewerte bewirkt.

Während an den allwöchentlichen Aktionstagen der Gelben Westen von Sonnabend zu Sonnabend immer weniger Menschen teilnahmen, hatten die landesweit durchgeführten Diskussionsveranstaltungen fast überall großen Zulauf. Sie wurden zumeist durch die Bürgermeister organisiert und moderiert, die in Frankreich die noch am ehesten respektierten Politiker sind. Viele von ihnen hatten zuvor schon aus eigener Initiative »Klagehefte« ausgelegt, in denen die Bürgerinnen und Bürger ihre Sorgen und Nöte hinterlassen konnten, und die eine Anleihe an die französische Revolution von 1789 sein sollten. Zunächst in diesen Heften, dann in den Bürgerdebatten und außerdem auf der extra eingerichteten Internetplattform »Grand Débat« gab es rund eineinhalb Millionen Meinungsäußerungen von Bürgerinnen und Bürgern.

Diese werden in den nächsten Tagen und Wochen zunächst digital aufbereitet und dann zusammengefasst und ausgewertet. In etwa vier Wochen soll ein Katalog der häufigsten Beschwerden und Änderungsvorschläge vorliegen, zu dem Präsident Macron Stellung nehmen will, und der der Regierung als Grundlage für entsprechende Maßnahmen dienen soll. Dabei müssen zweifellos Entscheidungen gefällt werden, die die Erwartungen enttäuschen und Frustrationen schüren dürften.

Das liegt allein schon daran, dass viele Forderungen widersprüchlich sind oder einander gar ausschließen, - etwa wenn einerseits weniger Steuern und andererseits mehr Ausgaben für soziale Belange und öffentliche Leistungen gefordert werden. Aber es gibt auch viele Vorschläge, die sachlich und pragmatisch sind.

Man kann nur hoffen, dass es Macron und seine Regierung verstehen, konstruktiv die Beschwerden einzugehen und den Bürgerinnen und Bürgern zu signalisieren, dass sie verstanden wurden und die Debatte in konkrete Ergebnisse münden wird. Dann bleibt abzuwarten, ob die Menschen in Frankreich mit den Ergebnissen einigermaßen zufrieden sind.

Eine erste Rückmeldung auf seine Initiative werden die Menschen in Frankreich dem Präsidenten schon bei der Europawahl Ende Mai geben. Die nächsten Wochen und Monaten werden zeigen, ob Macron aus all diesen Herausforderungen gestärkt oder geschwächt hervorgeht und ob er in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit wie geplant weitere Reformen umsetzen kann. Er dürfte sich aber getäuscht haben, wenn er gehofft hat, sich nun jetzt Maßnahmen zum Umbau des Staates und der demokratischen Institutionen konzentrieren zu können. Mit der Aufstockung des Mindestlohns um 100 Euro und der Rücknahme der Mehrbesteuerung der Rentnerinnen und Rentner hat Macron das Thema der sozialen Ungerechtigkeit noch längst nicht hinter sich gelassen. Sowohl die Gelben Westen als auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerdebatten werden ihn noch zur Kasse bitten.

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