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Sri Lanka: Starker Rückhalt für linkes Staatsoberhaupt
Sri Lanka hat gewählt und Präsident Dissanayake mit einer soliden Zweidrittelmehrheit im Parlament ausgestattet
Von einem Erdrutschsieg war in ersten Berichten vom Wahlausgang die Rede, und der Blick auf die Ergebnisse illustriert, dass diese mediale Wortwahl keineswegs übertrieben scheint. Eine politische Kraft, die bisher mit lediglich drei von 225 Mandaten ein parlamentarisches Nischendasein fristete, ist mit dem Votum gewissermaßen über Nacht zur neuen dominanten Gruppe aufgestiegen, die nunmehr über eine solide Zweidrittelmehrheit bei den Sitzen in der Nationalversammlung verfügt.
Die aus knapp zwei Dutzend linken Parteien und zivilgesellschaftlichen Gruppen bestehende National People’s Power (NPP) alias Jathika Jana Belawegaya (JJB) holte mit mehr als 6,8 Millionen Stimmen für ihre Kandidatinnen und Kandidaten rund 62 Prozent Zustimmung derer, die tatsächlich in die Wahllokale strömten. Unter den 196 direkt in den Wahlkreisen vergebenen Sitzen macht dies schon 141 für die NPP aus. Dank der Zusatzmandate nach dem landesweiten Stimmenanteil kann das Linksbündnis des erst seit knapp zwei Monaten amtierenden Präsidenten Anura Kumara Dissanayake nun sogar über insgesamt 159 Gefolgsleute im Parlament gebieten – ganz aus eigener Kraft.
Linke Zweidrittelmehrheit aus eigener Kraft
Als Hoffnungsträger hatte AKD, wie er im Land selbst oft nur verkürzt genannt wird, gegen das überwiegend neoliberale »Establishment« bei den Präsidentschaftswahlen Ende September gesiegt. Keine allzu große Überraschung war es nun, dass ihn die Bevölkerung des Inselstaates vor der Südspitze des indischen Subkontinents auch bei der Neubesetzung des umgehend von ihm aufgelösten Parlaments mit breitem Rückhalt für seine Reformagenda ausgestattet hat.
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Die Tendenz zum Umschwung im Parlament hatte sich schon in Meinungsumfragen angedeutet: Erstmals war in den Wochen seit seinem Amtsantritt die generelle Stimmung in dem gebeutelten Land grundsätzlich wieder ins Positive geschwenkt. 41 Prozent der Teilnehmenden gaben gegenüber dem Institute for Health Policy (IHP) im Oktober an, dass sie Sri Lanka auf dem richtigen Weg sehen, nur für 36 Prozent steuerte die Politik noch generell in die verkehrte Richtung. Selbst im August, kurz vor der Präsidentschaftswahl, hatten sich lediglich 16 Prozent positiv geäußert – und im Frühjahr 2022, gewissermaßen auf dem Höhepunkt der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit der Unabhängigkeit 1948, waren solche Stimmen empirisch kaum mehr messbar, während bis zu 83 Prozent eine falsche Richtung ausmachten.
Konservative Parteien von den Wählern abgestraft
Jene politischen Kräfte, die teilweise über Jahrzehnte am Ruder waren oder zumindest wesentlich für den Kurs der jüngsten Zeit mit dem Beinahe-Zusammenbruch vor zwei Jahren verantwortlich zeichneten, sind am Donnerstag an der Wahlurne nun noch deutlicher als schon bei Dissanayakes persönlichem Triumph abgestraft worden.
Die konservativ-neoliberale Samagi Jana Belawegaya (SJB) seines wichtigsten Kontrahenten Sajith Premadasa bleibt zwar zweitgrößte Fraktion und größte Oppositionspartei, jedoch mit nur noch 40 Abgeordneten. Lediglich knapp zwei Millionen Menschen, das sind rund 18 Prozent, sprachen sich noch für die 2019 gegründete Abspaltung von der alten Vereinigten Nationalpartei (UNP) aus, die nur ein Mandat erhielt. Hinzu kommen für das konservative Lager fünf Sitze der New Democratic Front von Ranil Wickremesinghe, dem unmittelbaren Amtsvorgänger Dissanayakes, der im September nur noch Drittplatzierter wurde.
Tamilen stellen drittstärkste Fraktion
Massiv gerupft wurde auch die nominell sozialliberale Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP), hinter welcher der lange tonangebende Rajapaksa-Clan steht. Die beiden Ex-Präsidenten Mahinda (2005–2015) und Gotabaya (2019–2022) sowie ihre Brüder Chamal und Basil hatten sich bereits vorab gegen eine Kandidatur entschieden.
Gestärkt ist trotz Zersplitterung ihrer Parteien nun wieder die parlamentarische Präsenz der tamilischen Minderheit. Die ITAK ist mit acht Sitzen nun sogar drittstärkste Fraktion.
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