- Politik
- Gazastreifen
Proteste gegen die Hamas
Generalstreik am Donnerstag - Sicherheitskräfte reagieren mit Tränengas
Über das Internet wurde zu einem Generalstreik am heutigen Donnerstag aufgerufen. In mehreren Städten im Gazastreifen blieb gut die Hälfte der Geschäfte geschlossen. Tausende gingen auf die Straße, wo der militärische Flügel der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden und die Polizei der Hamas-Regierung mit ganzer Härte gegen Demonstrationen vorgingen.
Schon zuvor hatte es in der vergangenen Woche täglich Proteste gegen die Hamas gegeben. Auf Handyvideos ist zu sehen, wie unbewaffnete Demonstranten mit Schlagstöcken attackiert werden und die Polizei Tränengas und scharfe Munition eingesetzt. Das im Internet kursierende Bildmaterial, auf dem zu sehen sein soll, wie sich eine Person selbst verbrennt, stellte sich indes als nicht authentisch heraus. Die Polizei habe mehrere hundert Personen festgenommen und wende in Verhören auch Folter an, heißt es bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Es ist das erste Mal seitdem die Hamas im Sommer 2007 die Macht im Gazastreifen übernommen hat, dass die Menschen dort in großer Zahl gegen die politische Organisation auf die Straße gehen. Mit dem Slogan »Wir wollen leben« hatte Anfang des Monats eine bis dahin nicht in Erscheinung getretene Gruppe namens »Bewegung 14. März« im Internet zu Protesten aufgerufen. Der eigentliche Antrieb dürfte die wirtschaftliche und soziale Lage sein, die heute schlechter ist als je zuvor. In einem Bericht macht die Weltbank vor allem die Blockade durch Israel und Ägypten dafür verantwortlich, schränkt aber selbst ein: Der Bericht wurde in der ersten Jahreshälfte 2018 erstellt; seitdem hat vor allem ein innerpalästinensischer Machtkampf die Lage weiter verschärft. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Angaben der Weltbank bei 54 Prozent. Hinzu kommt, dass die Hamas in den vergangenen Monaten die Steuern auf viele Güter erhöht hat. Die Preise für Grundnahrungsmittel, Obst und Gemüse haben sich seit Jahresbeginn verdreifacht.
Um die Hamas dazu zu zwingen, den Gazastreifen wieder unter die Kontrolle der palästinensischen Regierung zu stellen, hatte Präsident Mahmud Abbas Ende 2017 die Einstellung der Zahlungen für Strom- und Treibstofflieferungen aus Israel verfügt. Später wurden dann auch die Lohnzahlungen für Regierungsmitarbeiter in Gaza schrittweise zurückgefahren und nun ganz eingestellt. Zuvor hatten Hamas und Abbas-Regierung jahrelang unter ägyptischer Vermittlung ergebnislos über eine Einigung verhandelt.
Abbas fordert nun, dass die Arabische Liga intervenieren müsste, um die Hamas zur Ruckgabe ihrer Macht an die Regierung in Ramallah zu drängen. Doch von dort sind bislang nur allgemeine Appelle zu hören, während sich gleichzeitig ein Streit zwischen Abbas und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zuspitzt. Der arbeitet schon seit Monaten, sehr zum Leidwesen seiner Koalitionspartner, an einer Annäherung an die Hamas: Die Abbas-Regierung habe keine Chance, in Gaza wieder an die Macht zu kommen, so Netanjahu. Viel wahrscheinlicher sei es, dass kleine, radikalere Gruppen von einer Schwäche der Hamas profitieren. In Kairo verhandeln seine Abgesandten deshalb schon seit Langem indirekt mit Vertretern der Organisation über einen dauerhaften Waffenstillstand. Selbst als kürzlich zwei Raketen bei Tel Aviv einschlugen, brachen die Kontakte nicht ab. Stattdessen sprachen beide Seiten von einem »Unfall«.
Aber vor allem verschaffte Netanjahu der Hamas dringend benötigtes Geld: Die Regierung Katars kam für Strom- und Treibstofflieferungen auf. Auch wurden mindestens einmal, im Januar, 15 Millionen US-Dollar in bar von Katar nach Gaza gebracht.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.