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Quicklebendiges Deutsch
Ulrike Wagener mustert überflüssigen Sprachschutz aus
Nordfriesisch steht im Unesco-Atlas für bedrohte Sprachen. Man könnte durchaus eine Petition für seine Bewahrung starten. Deutsch aber - da lässt es sich aufatmen - ist sicher. Unsere Sprache zählt zu den zehn meistgesprochenen. 130 Millionen ist sie die Mutter- oder Zweitsprache, 289 Millionen sprechen sie als Fremdsprache.
Dennoch ist das Deutsche schon seit Jahrhunderten in stets höchster Gefahr. Schon die 1617 gegründete Sprachvereinigung »Fruchtbringende Gesellschaft« mühte sich um die Eindeutschung von Fremdworten. Jüngst übernahmen die CDU und dann die AfD diese Mission, indem sie der deutschen Sprache zu einer Grundgesetzpassage verhelfen wollten. Weil ja, so die AfD, deutschsprachige »Musiker« heute zum Englischen verdammt seien, um in den Medien eine Chance zu haben. Dass dieser Vorstoß bislang versandet ist, liegt mutmaßlich an den Millionen Fans von Helene Fischer oder Thomas Anders: Genau gelesen spricht der Antrag den beiden und ihresgleichen immerhin das Recht ab, ihre in eben diesen Medien vermassenmarkteten Audioangebote als »Musik« zu bezeichnen.
Während sich die deutsche Verfassung also hinter Klangteppichen verschanzt, hat die Vorhut des hiesigen Sprachschutzes nun den Wiener Ballhausplatz im Sturm genommen: Den dort residierenden Bundeskanzler adelt die notorisch rechte »Deutsche Sprachwelt« zum »Sprachwahrer des Jahres 2018«, weil er in »wohlgesetzten Worten« Zusammenhänge »verständlich« mache. Wie etwa den, »daß (!) die Höhe der Sozialleistungen an Asylberechtigte von deren Willen zum Deutschlernen« abhängen solle. Auf Platz zwei folgt das Wiener Verteidigungsministerium für seine »Entideologisierung« der Sprache durch die »Befreiung« von »überflüssigen Genderismen«. Konkret soll das in einer Ausmusterung des »Binnen-I« bestehen, das als solches freilich nie verordnet war. 2001 wurde lediglich eine allgemeine Verpflichtung auf geschlechtergerechter Sprache erlassen.
Zur Phantomjagd bläst auch der etwas seriösere »Verein Deutsche Sprache«. 44 000 haben sich ihm per Unterschrift zum »Widerstand« gegen Formulierungen verpflichtet, die niemand je vorgeschlagen hat - etwa den »Bürgerinnen- und Bürgermeister«. Dennoch hat keine der teils prominenten Unterzeichnerinnen das generische Maskulinum, an dem sie angeblich so hängen, als Selbstbezeichnung benutzt.
Rührt sich in all dem nur der Wunsch, zu dem zurückzukehren, das in deutschen Gefilden noch lange vor den heute nur schwer verständlichen Lautfolgen gesprochen wurde, die jene »Fruchtbringende Gesellschaft« einst als Deutsch verteidigte - nämlich zum Germanischen? Man mag in diesen Kreisen hoffen, dass sich in einer Sprache, die nur die Gegenwarts- und die Vergangenheitsform kannte, die lästige Erkenntnis erübrigt, dass sich Sprache stets verändert.
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