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  • Berlin
  • Berliner Konzept gegen Antisemitismus

Anstoß für mehr Engagement

Die Staatssekretärin Sawsan Chebli hat das Landeskonzept gegen Antisemitismus mit erarbeitet

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

Frau Chebli, Berlin hat als erstes Bundesland ein Landeskonzept zur Prävention gegen Antisemitismus entwickelt. Was sind die Kernpunkte?

Unsere Botschaft ist: Berlin schaut nicht weg, wenn Hass und Hetze gegen Juden unser Miteinander vergiften und die Demokratie gefährden. Berlin schaut nicht weg, wenn Juden bedroht und angegriffen werden. Das Starke am Landeskonzept ist, dass die darin formulierte Strategie alle Ressorts umfasst. Alle Beteiligten, aus dem Bildungsbereich, der Kultur, der Polizei und der Justiz stellen sich gemeinsam mit engagierten Akteuren aus der Zivilgesellschaft der Herausforderung, Antisemitismus zu bekämpfen.

Sawsan Chebli
Bevollmächtige des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales. Dem neuen Landeskonzept zur Antisemitismusprävention vorausgegangen war der Arbeitskreis Antisemitismus, den der Berliner Senat 2017 ins Leben gerufen hatte. Unter dem Vorsitz der SPD-Politikerin sollte der Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Projektträgern eine Bestandsaufnahme bestehender Programme und Maßnahmen zur Antisemitismusprävention leisten und Handlungsempfehlungen entwickeln.

Ein Fokus des Konzeptpapiers liegt auf der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften. Ist das ein wirksames Mittel gegen antisemitisch motiviertes Mobbing im Klassenzimmer?

Um wirksam gegen antisemitisches Mobbing vorzugehen, brauchen die Pädagogen das nötige inhaltliche Rüstzeug. Viel zu häufig wird Antisemitismus nicht als solcher erkannt. Deshalb setzt die Bildungsverwaltung auf Fortbildung und Sensibilisierung der Lehrkräfte. Wichtig ist aber auch, dass die Sensibilisierung bereits in der Ausbildung der Lehrkräfte an den Hochschulen stattfindet. So wird es im Konzept festgeschrieben und das ist ein wichtiger Schritt. Übrigens beschränkt sich der Bedarf an Weiterbildungsprogrammen nicht allein auf den pädagogischen Bereich. Auch die Polizei muss für antisemitische Motive besser sensibilisiert werden. Wenn beispielsweise ein jüdisches Restaurant attackiert wird, wie es im vergangenen Jahr in Chemnitz passiert ist, dürfen die Beamten darin nicht bloß eine Sachbeschädigung sehen. Es geht letztendlich in allen Bereichen darum, antisemitische Denkmuster zu dekonstruieren und Gegenstrategien zu entwickeln.

Berlin soll künftig einen Ansprechpartner für Antisemitismus bekommen. Was sind dessen Aufgaben?

Dass Berlin einen hauptamtlichen Beauftragten für das Thema Antisemitismus bekommen wird, ist zunächst einmal ein ganz wichtiges Signal. Diese Person soll die Maßnahmen zur Antisemitismusprävention in Berlin zusammenbringen und mit der Bundes- und Bezirksebene vernetzen. Sie soll vor allem aber für die Betroffenen da sein und insbesondere für die Jüdische Gemeinde und die Initiativen, die sich in diesem Bereich engagieren, ansprechbar sein. Der Beauftragte soll also als Brückenbauer, Vernetzer und Koordinator auftreten.

Wann soll der neue Ansprechpartner seine praktische Arbeit aufnehmen?

Im Senat herrscht Konsens darüber, dass der Beauftragte schnellstmöglich eingesetzt werden soll. Dabei ist es auch unerheblich, in welchem Senatsressort die Stelle angesiedelt sein wird. Entscheidend ist, dass der oder die Beauftragte Vertrauen in der Politik und der Jüdischen Gemeinde besitzt und mit notwendigen Ressourcen ausgestattet wird.

Der Bund und andere Bundesländer haben schon seit geraumer Zeit Antisemitismusbeauftragte eingesetzt. Warum zieht Berlin erst jetzt nach?

Berlin ist im Bereich der Antisemitismusprävention weiter als viele andere Bundesländer. Wir beginnen hier nicht bei null. Der Berliner Senat ist hoch engagiert. Und es gibt in unserer Stadt mit der Unterstützung der Politik eine sehr aktive Zivilgesellschaft mit vielen engagierten Projektträgern und Initiativen. Der Beauftragte ist für Berlin ein weiterer Baustein im Kampf gegen Antisemitismus. Er soll aber keineswegs bestehende Akteure ersetzen und auch niemanden von der Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus entlasten. Es geht darum, alle in ihrem Engagement zu bestärken, in die Pflicht zu nehmen und miteinander zu vernetzen, aber auch darum, neue Mitstreiter zu gewinnen und neue Allianzen zu schmieden, um Antisemitismus in der Gesellschaft insgesamt zurückzudrängen.

Sie hatten 2017 den Arbeitskreis Antisemitismus ins Leben gerufen, der Handlungsempfehlungen gegen Juden- und Israelhass erarbeiten sollte. Ist dessen Arbeit mit dem Landeskonzept beendet?

Erklärtes Ziel des Arbeitskreises war es, gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren eine Bestandsaufnahme der bestehenden Maßnahmen zu erarbeiten. Das haben wir gemacht und ich freue mich, dass viele der Handlungsempfehlungen in das Landeskonzept mit eingeflossen sind. Jetzt geht es darum, die Empfehlungen auch praktisch umzusetzen. Ich werde zum Beispiel gemeinsam mit der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) und der Flick Stiftung in Kürze die Projektreihe »Tu was gegen Antisemitismus« starten. Hier geht es vor allem darum, die Zivilgesellschaft noch stärker für den Kampf gegen Antisemitismus zu gewinnen. In diesem Jahr werde ich zudem mit einer Berliner Schülergruppe die Gedenkstätte Auschwitz besuchen. Und auch einer Reise mit jungen Menschen nach Israel ist geplant. Ich verstehe das Landeskonzept als Anstoß für mehr Engagement. Für alle, weil Antisemitismus uns alle angeht.

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