Meister fürchtet Bürger
Für Präsident Erdogan sind die türkischen Kommunalwahlen auch eine Abstimmung über seine Politik
Berlin. Zwischen İstanbul und Cizre liegen 1500 Kilometer. Am Sonntag werden in der 15-Millionen-Metropole im Nordwesten der Türkei ebenso wie in der 140 000-Einwohner-Stadt im Südosten und im ganzen Land die Bürgermeister, Stadt- und Provinzräte sowie die Ortsvorsteher zum ersten Mal seit 2014 neu gewählt. Fair sind diese Kommunalwahlen nicht - die oppositionelle Linkspartei HDP ist massivster Repression ausgesetzt, im Wahlkampf wurde der seit Jahren pauschal gegen sie erhobene Terrorismusvorwurf zudem noch ausgeweitet auf Kandidaten anderer Oppositionsparteien wie der kemalistischen CHP.
Der CHP könnte es gelingen, unter anderem in der Hauptstadt Ankara nach mehr 25 Jahren das Amt des Bürgermeisters zu gewinnen. Um dies zu ermöglichen, hat die HDP auf eigene Kandidaten in vielen Großstädten wie Ankara, aber auch İstanbul verzichtet. Eine ungewöhnliche Kooperation der Oppositionsparteien, die dem Wunsch geschuldet ist, der AKP endlich die Rathäuser streitig zu machen. Dies erklärt Leyla Îmret im Interview mit dem »nd«. Îmret ist gewählte Bürgermeisterin von Cizre, seit 2017 im Exil in Deutschland und hier Ko-Vorsitzende der HDP. Sie war die erste Bürgermeisterin, die des Amtes enthoben wurde. Später wurden alle Rathäuser in den kurdischen Gebieten der Türkei unter Zwangsverwaltung gestellt. Bei den nun anstehenden Kommunalwahlen werden HDP-Kandidaten dort wieder zu Bürgermeistern gewählt werden - Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat indes schon angekündigt, sie alle wieder absetzen zu lassen. Er führt den Wahlkampf, als wäre es eine Abstimmung über ihn. Und in der Tat spiegeln sich in der Kommunalpolitik die »großen« Themen des Landes. Neben der Wirtschaftskrise ist dies vor allem die kurdische Frage, auf die seit 2015 wieder mit Krieg geantwortet wird. net
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