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Ostermarsch in Berlin: Der Kriegsertüchtigung entgegentreten
In der Hauptsadt findet der 43. Ostermarsch in Folge statt. Wesentliches Thema ist die Militarisierung der Gesellschaft.
In der Galerie Olga Benario in Berlin-Kreuzberg waren sie am Dienstag fast unter sich: Frauen und Männer, die seit Jahrzehnten für Frieden und Abrüstung auf die Straße gehen. Die Mahnungen erprobter Kriegsgegner*innen wie Laura von Wimmersperg und Lühr Henken mit Blick auf Kriege und die billionenschwere Aufrüstung der EU, Deutschlands und weltweit könnten kaum aktueller sein.
Für Samstag laden sie im Namen der seit 1980 aktiven Berliner Friedenskoordination, kurz FriKo, wie jedes Jahr zum Ostermarsch in die Hauptstadt. Es wird ein Kiezspaziergang, der mittags am Kreuzberger Mariannenplatz beginnt und endet. Und es ist der 43. in Folge. Zu den Redner*innen gehören neben älteren Friedensbewegten auch junge Aktive wie Mark Ellmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern und Chris Hüppmeier vom Netzwerk Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel.
Zivilklauseln haben sich 70 deutsche Unis und Hochschulen gegeben. Sie untersagen Forschung für militärische Zwecke. Diese Regelungen sind mit dem seit einer Woche vorliegenden Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zusätzlich unter Druck geraten, sagt Hüppmeier. Denn dort heißt es unter anderem, die künftige Regierung setze sich dafür ein, »dass Hemmnisse, die beispielsweise Dual-Use-Forschung oder auch zivil-militärische Forschungskooperationen erschweren, abgebaut werden«.
Bayern hat schon vergangenen Sommer das »Gesetz zur Förderung der Bundeswehr« beschlossen, mit dem Hochschulen vorgeschrieben werden kann, für militärische Zwecke zu forschen. Außerdem macht es Auftritte von Jugendoffizieren an den Schulen zu Pflichtveranstaltungen.
Gegen das Gesetz hat in Bayern zwar ein breites Bündnis unter Beteiligung der GEW Verfassungsklage eingereicht. Der Druck auf Bildungseinrichtungen wächst unabhängig davon, denn die Stimmung schlägt zumindest im Bereich der Politik und der »veröffentlichten Meinung«, wie es Lühr Henken nennt, in Richtung »Kriegsertüchtigung« um. Journalisten, Wissenschaftler und Politiker fordern in offenen Briefen, Talkshows und Artikeln die »Herstellung von Verteidigungsfähigkeit« gegen einen angeblich drohenden Angriff Russlands. Und die Rückkehr zur Wehrpflicht.
»Das Ziel, bis 2029 kriegstüchtig zu werden, fußt auf den falschen Annahmen, dass Russland Europa angreift oder die USA unter Trump Europa gen Asien verlassen.«
Lühr Henken Friedenskoordination Berlin
Gegen diese Militarisierung der gesamten Gesellschaft wenden sich die Menschen, die in Berlin und anderswo zu Ostern auf die Straße gehen. Chris Hüppmann betont, wie wichtig es ist, gegen den neuen Wehrdienst zu protestieren, den die künftige Bundesregierung einführen will. Denn er ist schließlich nur »zunächst« noch freiwillig.
Einig sind sich die Initiatoren des Berliner Ostermarsches darin, dass es dringend Deeskalation statt immer neuer Aufrüstungsrekorde braucht. Für Henken ist klar: »Das Ziel, bis 2029 kriegstüchtig zu werden, fußt auf den falschen Annahmen, dass Russland Europa angreift oder die USA unter Trump Europa gen Asien verlassen.« Für beide Prämissen gebe es »keine Indizien und schon gar keine Belege«. Außerdem sei die EU kaufkraftbereinigt Russland militärisch bereits jetzt weit überlegen. Propagandisten der Aufrüstung vergäßen darüber hinaus zu erwähnen, dass ein Angreifer für eine erfolgreiche Attacke »das Dreifache an Kriegsmaterial und Soldaten aufwenden muss wie der Verteidiger«, so Henken.
Ihn und seine Mitstreiterinnen beunruhigen auch die jüngsten Ankündigungen des künftigen Bundeskanzlers Friedrich Merz zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine zutiefst. Der CDU-Vorsitzende hatte Kiew am Sonntag in der ARD auch noch empfohlen, mit den weitreichenden Raketen die Krim-Brücke über die Straße von Kertsch, die Hauptverbindung zwischen der 2014 von Russland annektierten Halbinsel und dem russischen Festland, zu zerstören. Käme es dazu, könne dies tatsächlich Angriffen der Atommacht Russland auf Deutschland provozieren, fürchtet Henken. Taurus-Lieferungen an Kiew müssten ebenso verhindert werden wie die ab dem kommenden Jahr geplante Stationierung weitreichender US-Marschflugkörper und Hyperschallraketen in Deutschland.
Erneut werden auf dem Berliner Ostermarsch Gruppen präsent sein, die ein Ende der Zerstörung des Gazastreifens durch Israel und eine Waffenruhe in Gaza fordern. Auf der Demo wird zur Krise in Nahost neben der Publizistin Wiebke Diehl auch ein Vertreter der Initiative Eye4 Palestine sprechen.
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