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Zeit für den Frühjahrsputz
Der DFB sollte bei der Suche nach einem neuen Präsidenten weniger auf Namen achten. Das Jobprofil ist wichtiger
Spaziergänger und Radfahrer mögen diese Jahreszeit im Frankfurter Stadtwald. Überall sprießen Knospen an den Bäumen, manche Sträucher tragen bereits ein prächtiges Blütenkleid. Die Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) liegt hier wie geschaffen dafür, die Frische des Frühlings einzuatmen. Noch besser wäre es freilich, würden endlich mal alle Türen und Fenster geöffnet, um zu lüften und durchzukehren. Nach dem Rücktritt von DFB-Präsident Reinhard Grindel braucht es zwingend den großen Frühjahrsputz.
Auch mit der 2018 in Kraft getretenen Strukturreform ließ sich nicht verhindern, dass das Oberhaupt die Werte mit Füßen trat, für die der neue DFB eigentlich stehen wollte. Und so sah sich Vizepräsident Rainer Koch offenbar genötigt, »einen gemeinsamen Kandidaten von DFB und DFL außerhalb des Präsidiums« zu suchen, der »die Anliegen des Amateurfußballs ebenso im Blick hat wie den Spitzenfußball.« Ein verdammt verräterischer Satz.
Der größte Einzelsportverband mit fast 7,1 Millionen Mitgliedern, 400 Mitarbeitern und 400 Millionen Euro Jahresumsatz hat sich inzwischen so sehr verzwergt, dass ohne die mächtige Deutsche Fußball Liga (DFL) der Profiklubs nichts mehr geht. Mit Kochs Einlassung wird die Beförderung von Generalsekretär Friedrich Curtius verhindert, der hausintern genügend Fürsprecher hätte - er gehört aber zum Präsidium.
Fakt ist: Die DFL redet bei der bis zum 27. September zu klärenden Grindel-Nachfolge ein gehöriges Wörtchen mit. Ligachef Christian Seifert fordert seit längerem professionelle Strukturen und Führungskräfte. Der mit Koch die Interimsdoppelspitze bildende Ligapräsident Reinhard Rauball spricht von einem »personellen, aber auch strukturellen Neuanfang«. Der 72-Jährige kommt aus Altersgründen als DFB-Chef nicht infrage, gegen Koch würde das Profilager Sturm laufen. Vom Strippenzieher des Süddeutschen Fußballverbandes fühlte sich die Liga einst überfahren, als der Amateurvertreter den Schatzmeister Grindel durchboxte. Dessen Nachfolger Stephan Osnabrügge hat kein Interesse anmeldet, ebenso wie der als OK-Chef für die EM 2024 auserkorene Ehrenspielführer Philipp Lahm. Mit Christoph Metzelder wird ein weiterer Ex-Nationalspieler gehandelt, der viele Eigenschaften hätte, die dem Verband wohl ad hoc gut zu Gesicht stünden.
Ein Kompromiss könnte der leutselige und bei Bayer Leverkusen nicht mehr bedingungslos glückliche Rudi Völler sein, der dem DFB schon mal als Bundestrainer in einer tiefen Sinnkrise aus der Patsche half. Seine Integrität stände auch nicht im Zweifel. Warum aber ist nicht auch eine Frau an der Spitze denkbar? Dennoch tauchen die Ex-Bundestrainerin Silvia Neid und die ehemalige Nationalspielerin Celia Sasic eher pro forma im Potpourri möglicher Kandidaten auf.
Bevor das Karussell anläuft, müssen DFB und DFL sicherstellen, wie die mit dem Präsidentenamt verbundenen Interessenskonflikte künftig vermieden werden. Weder das Entlohnungssystem noch die Zuständigkeiten wirken zeitgemäß. Sich nur von Krise zu Krise zu hangeln, wäre bei all der Verantwortung des deutschen Fußballs in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft fatal. Überdies sind mit der Ausrichtung der EM und dem Akademiebau zwei Leuchtturmprojekte zu stemmen, die viel Kraft und Geld kosten.
Etliche Fragen gehören dringend ohne Denkverbote vorab geklärt. »Wichtig ist, dass wir zuerst über die Inhalte und das Profil des Nachfolgers reden und dann über Namen, so wie wir es beim Sportdirektor auch tun«, erläuterte DFB-Vize Ronny Zimmermann, der vorschlägt, dem Präsidenten künftig einige Aufgaben abzunehmen. Eine Variante wäre, eine Geschäftsführung zu installieren und den Präsidenten nur noch als Repräsentanten zu begreifen, der einen Aufsichtsrat führt, in dem kritische Geister nicht fehlen dürfen. Und es braucht das Eingeständnis, dass Profis und Amateure auch mit den schönsten Kampagnen nicht so einfach zu verzahnen sind. Gleichzeitig der zum Eigenleben neigenden Nationalmannschaft und den 25 000 Vereinen zu dienen, erfordert einige Verrenkungen.
Schmerzhafte Interessenskonflikte bestehen, wenn der höchste DFB-Mann die internationalen Ämter besetzt. Den Anforderungen im FIFA-Council und der UEFA-Exekutive gerecht zu werden, ist heutzutage Volltagsjob - und auch inhaltlich oft unvereinbar mit den Wünschen deutscher Amateure. Grindel will beide Ämter »in enger Abstimmung mit dem DFB« weiterführen - wie sein Vorgänger Wolfgang Niersbach, bis ihn Wirklichkeit und Ethikkommissionen einholten. Grindel droht ebensolches Ungemach, wenn sich die FIFA und UEFA mit seinem Fall beschäftigen. Eher fällt im Frankfurter Stadtwald vor Ostern noch Schnee, als dass die Entgegennahme einer Luxusuhr vom ukrainischen Verbandskollegen Grigori Surkis bei FIFA und UEFA gänzlich folgenlos bliebe.
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