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Erste Gay Pride Bosnien-Herzegowina
Polizeischüler diskutieren im Internet, ob sie für oder gegen den Schutz der Demonstrationsteilnehmer sind
Am vergangenen Dienstag gaben Aktivist*innen bekannt, dass am 8. September die erste Gay Pride in Bosnien-Herzegowina stattfinden wird. Das Westbalkanland ist neben der Republik Nordmazedonien der einzige Nachfolgestaat Jugoslawiens, in dem noch kein Christopher Street Day (CSD) stattgefunden hat.
In der Vergangenheit gab es gewaltsame Übergriffe bei Gay Pride Paraden in Serbien, Kroatien und Montenegro. Im Jahr 2010 kam es in Belgrad zu großen Ausschreitungen, in deren Folge Dutzende Personen verletzt und über 100 inhaftiert wurden. Seit 2014 findet der CSD in Belgrad zwar ohne größere Zwischenfälle statt, allerdings unter dem Schutz eines immensen Polizeiaufgebots. Im Kosovo wurde die erste Gay Pride im Oktober 2017 durchgeführt und verlief friedlich und fröhlich. In Sarajewo dagegen wurden Teilnehmer von LGBT-Veranstaltungen und queeren Filmfestivals wiederholt von Hooligans, Nationalisten und religiösen Eiferern attackiert.
Im Gespräch mit »nd« sagt die 28-jährige Aktivistin und Organisatorin des ersten CSD in Sarajewo Nera Mešinović: »Die Reaktionen auf die Gay Pride in Sarajewo sind ambivalent. Einerseits bekommen wir großen Rückhalt, auf der anderen Seite gibt es viel Hassrede gegen uns, vor allem im Internet.«
Eine Umfrage auf der Facebook-Seite der »Polizeiakademie Bosnien-Herzegowina« diskutierte folgende Frage: »Soll die Polizei LGBT-Menschen beschützen oder inhaftieren?«
Unter der Umfrage ist eine interaktive Abstimmungsgrafik platziert. Bei der Auswahloption »OBEZBJEDUJE« (»Beschützen«) sieht man LGBT-Aktivisten, die von der Polizei beschützt werden. Wer gegen den Schutz der Pride-Teilnehmer stimmen will, drückt auf »PRIVODI« (»Inhaftieren«) - dargestellt durch das Foto einer am Boden liegenden und dabei von zwei Polizisten angegangenen LGBT-Aktivistin.
Laut Recherchen des Onlineportals radiosarajevo.ba handelt es sich um keinen offiziellen Facebook-Auftritt der bosnischen Polizei, sondern um eine von Schülern der staatlichen Polizeiakademie betriebene Seite. Unter dem Beitrag wird zu einer Petition für ein Verbot der Pride verlinkt. In den Kommentaren unter der Mitteilung werden Homosexuelle zudem mit Zoophilie, dem sexuellen Umgang mit Tieren, in Verbindung gebracht.
Auch bosnische Politiker äußerten sich abwertend über die Pride. Samra Ćosović-Hajdarević von der islamisch-nationalistischen SDA und Parlamentsabgeordnete des Kantons Sarajewo schrieb auf Facebook einen Kommentar, in dem sie den Organisatoren vorwirft, das Land und sein Volk zu zersetzen. Dieser wurde inzwischen gelöscht. Der bekannte Imam Muhamed Velić teilte mit seinen 67 000 Abonnenten einen Text, indem er Homosexuelle mit Viren und Bakterien verglich. Auch dieser Beitrag verschwand inzwischen von seiner Facebook-Seite.
Nera Mešinović sagt, die Organisatoren versuchen, gegen solche Hassrede vorzugehen: »Wir haben eine Minikampagne in den sozialen Netzwerken gestartet, um unsere Unterstützer gegen Hassrede zu mobilisieren. Leider gab es trotzdem einen Vorfall, bei dem zwei Lesben angegriffen wurden.«
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag lief Ehlimana Elma Muslija, eine Praktikantin der NGO »Civil Rights Defenders«, die sich auch für LGBT-Rechte einsetzt, mit ihrer Freundin durch die Stadt. Die beiden wurden von einem Mann angeschrien, der sie aufforderte, mit dem Händchenhalten aufzuhören und drohte, die beiden mit einem Messer anzugreifen.
Darüber hinaus kündigte der Angreifer an, er werde die im September stattfindende Gay Pride in Sarajewo angreifen, weil diese seine religiösen Gefühle verletze. Er drohte zudem, dass »Blut fließen« werde.
Am Freitag attackierte derselbe Mann, diesmal mit einem Unterstützer, die Praktikantin und ihre Freundin erneut. Er schlug der Aktivistin vor einem Einkaufszentrum ins Gesicht und drückte sie auf den Boden. Ihre Freundin rannte weg, die beiden Männer hinterher. Der Freundin gelang es, zu fliehen.
Daraufhin veröffentlichten die Organisatoren der Pride eine Stellungnahme, in dem sie den Angriff als direkte Folge der hasserfüllten Reaktionen auf die Bekanntgabe des ersten CSD in Sarajewo interpretieren: »Dieser Angriff ist eine direkte Folge der Intensivierung der Hassrede gegen die Gay Pride in der Öffentlichkeit und den sozialen Netzwerken, an der sich auch Personen des öffentlichen Lebens beteiligt haben.«
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