Auch Bremer Linkspartei will Immobilienkonzern enteignen

Landesparteitag stimmt für Überführung von 11 000 Wohnungen in öffentliches Eigentum / Junge Klimaschützerin nimmt Genossen ins Gebet

  • Cäcilie Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Wiedereinzug der LINKEN in Bremen und Bremerhaven in die Bremische Bürgerschaft dürfte sicher sein. In Umfragen kommt sie aktuell auf elf Prozent. Dies wäre eine deutliche Steigerung im Vergleich zur Wahl 2015, als sie 9,5 Prozent der Stimmen erhielt.

Am Samstag stimmte sich der Landesverband auf einem Parteitag auf die Wahl des Landesparlaments ein, das am 26. Mai parallel zum Europaparlament neu bestimmt wird. Zu Beginn der Delegiertenkonferenz konnte Landessprecher Felix Pithan verkünden, der Verband habe sein selbstgestecktes Ziel erreicht, auf 600 Mitglieder zu wachsen.

Die Bremer Linkspartei ist Gastgeberin der Auftaktkundgebung der gesamten Partei zum Europa-Wahlkampf am 23. April. Spitzenkandidatin Özlem Demirel und Spitzenkandidat Martin Schirdewan haben ihr Kommen ebenso angekündigt, ebenso der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger und Gregor Gysi, Präsident der Europäischen Linken. Auch Kristina Vogt, Spitzenkandidatin bei der Bremer Landtagswahl, wird sprechen.

Die rund 70 Delegierten beschlossen unter anderem ohne Gegenstimme einen Antrag unter dem Titel »Vonovia enteignen«. Dem Immobilienkonzern gehören allein in Bremen 11000 Wohnungen. Kristina Vogt, die auch Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion der LINKEN ist, forderte in ihrer Rede, Bremen solle nach Berliner Vorbild versuchen, die Vonovia-Quartiere in kommunales Eigentum zurückzuführen.

Der rot-grüne Senat habe es in zwölf Jahren versäumt, für genügend bezahlbare Wohnungen zu sorgen, kritisierte Vogt. »Wir erleben im Moment Verdrängungswettbewerbe, wie sie bei uns noch nicht vorgekommen sind«, konstatierte sie. Die steigenden Mieten kämen einer »kalten Enteignung« der Mieter gleich.

Die Delegierten stimmten zudem mit großer Mehrheit dafür, das von einer Bürgerinitiative in einem parallel zur Landtags- und Europawahl stattfindenden Volksentscheid geforderte Bebauungsverbot für die frühere Galopprennbahn im Stadtteil Hemelingen abzulehnen. In der Stadt würden Schätzungen zufolge bis 2030 rund 10 000 zusätzliche Wohnungen gebraucht, begründete Vogt die Position der LINKEN, die in diesem Fall der des rot-grünen Senats entspricht.

Die Fraktionschefin verlangte zudem, Bremen solle nach Berliner Vorbild die Verteilung der niedergelassenen Ärzte so regeln, dass auch in ärmeren Stadtteilen die Versorgung nicht nur mit ausreichend Hausarzt-, sondern auch mit Facharztpraxen gesichert ist. Einen entsprechenden Antrag billigten die Delegierten ebenfalls einstimmig.

Den größten Applaus erhielt derweil die kurzfristig eingeladene Aktivistin der »Fridays-for-future«-Bewegung (FfF), Frederike »Fritzi« Oberheim - und das, obwohl sie mit den Genossinnen und Genossen mit enormem Selbstbewusstsein gnadenlos ins Gericht ging. Sie trug Rosa Luxemburgs Äußerungen über den essenziellen Wert der Natur vor und erklärte mit Blick darauf, die LINKE habe sich von ihren Wurzeln entfernt. Sie zählte Versäumnisse der Partei in Sachen Gleichberechtigung und Bewusstsein für die Bedeutung des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen auf. Die LINKE solle sich um Geschlechtergerechtigkeit und Klimaschutz kümmern, damit wären schon die größten Übel des Kapitalismus angegangen, meinte die Studentin. »Was bringt euch das Versprechen einer neuen Revolution, wenn es keinen Planeten mehr gibt, den man revolutionieren kann?«, rief sie den Delegierten zu. Ein spontaner Antrag, sich FfF zu öffnen und mit der Bewegung zu kooperieren, wurde einstimmig angenommen. In einem spontan herumgereichten Hut kamen 235 Euro für die Bewegung zusammen.

Ebenfalls ohne Gegenstimmen wurden Initiativanträge für die Unterstützung des Ostermarsches der Bremer Friedensbewegung sowie eines Volksbegehrens für eine gesetzliche Regelung für mehr Krankenhauspersonal angenommen. Letzteres lag Vogt besonders am Herzen, weil sie befürchtet, der Bremer Senat könne den Staatsgerichtshof anrufen, um das mit bereits rund 25 000 Unterschriften versehene Volksbegehren zu stoppen.

Unterdessen hat Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) kritische Aussagen über die wohlhabenden Bremer Stadtteile Schwachhausen und Oberneuland relativiert. Dem »Weser-Kurier« sagte er am Wochenende, seine Formulierungen seien »zugespitzt oder sogar überspitzt« gewesen. Er habe mit seiner Äußerung bei Radio Bremen vermeiden wollen, Stadtteile mit hoher Arbeitslosigkeit weiter zu stigmatisieren. In dem Rundfunkbeitrag hatte Sieling die reicheren Bezirke als Problemstadtteile benannt. Dort gebe es »viele Menschen, die ganz, ganz viele Ressourcen haben und die ich bitte, mehr davon für das Gemeinwesen aufzuwenden«.

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