- Politik
- Ida-Ehre-Schule
AfD attackiert »Schule ohne Rassismus«
Populisten entdecken in Hamburg ein angebliches linksextremistisches Netzwerk
Sie wurde offiziell als »Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage« ausgezeichnet: die Ida-Ehre-Schule im Hamburger Stadtteil Harvestehude. Dort aber soll der AfD zufolge ein »linksextremistisches Netzwerk« sein Unwesen treiben. Alexander Wolf, AfD-Fraktionschef in der Hamburgischen Bürgerschaft, stellte dazu eine Kleine Anfrage an den Senat und löste damit eine Kettenreaktion aus. Die regionale Presse der Hansestadt griff das Thema auf. In Kalter-Kriegs-Rhetorik ließ das »Hamburger Abendblatt« das Gebot der Ausgewogenheit mal eben beiseite und übernahm die AfD-Sprachregelung: »Linksextremisten agieren ungestört an Schule.« Im Kommentar klagte der Autor über »politisch naive Lehrer« und forderte: »Schulen müssen auch gegen Linksextremismus vorgehen.«
Einen Tag später zog die »Hamburger Morgenpost« nach und vermeldete: »Linksradikale an Schule aktiv - Behörde entsetzt: Sticker und Antifa-Plakate an der Ida-Ehre-Schule.« Dass diese nach einer Schauspielerin (1900-1989) benannt wurde, die 1939 von den Nazi-Behörden wegen ihrer jüdischen Herkunft im KZ Hamburg-Fuhlsbüttel inhaftiert wurde, übersahen die Autoren in ihrem Diensteifer.
Seit einigen Monaten können sich besorgte Bürger auf dem Internetportal »Neutrale Schulen Hamburg« der AfD melden und Verstöße gegen das sogenannte Neutralitätsgebot anzeigen. Die Rechtspopulisten dokumentierten den »Fall« in der Ida-Ehre-Schule mit Bildern von Anti-AfD-Aufklebern und Fotos einer »Antifa Altona-Ost«, die nach angeblichen »Erkenntnissen« des Verfassungsschutzes als linksextrem gelte.
Offenbar aufgeschreckt durch die Berichterstattung wurde die Schulleitung von der zuständigen Behörde angewiesen, die Antifa-Ecke zu säubern. In ihrer Antwort auf die Anfrage der AfD meldete die Behörde daraufhin Vollzug: »Die Schulaufsicht hat die Hausverwaltung beauftragt, die genannten Aufkleber im Klassenraum und hinter der Eingangstür zu entfernen beziehungsweise die Wandaufschrift zu übermalen und hat sich von der unverzüglichen Aufnahme dieser Arbeit überzeugt.« Volltreffer.
Noch während der Debatte um das offensichtliche Einknicken der Schulbehörde gegenüber der AfD-Attacke nahm Fraktionschef Wolf, der selbst in der eigenen Partei als Rechtsaußen gilt, an einer Debatte über die EU in einer 10. Klasse des Helene-Lange-Gymnasiums teil. Experte Wolf sollte vor den Schülern zum Thema »Extremismus und dessen Prävention« sprechen.
Auf Anfrage, wer den »Extremismus-Experten« an die Schule geholt habe, antwortete der Behördensprecher zunächst, die Schüler des Gymnasiums hätten Wolf eingeladen. Doch einige Tage später musste die Behörde zurückrudern. Es habe sich um ein »bedauerliches Missverständnis« gehandelt, hieß es nun. Tatsächlich war es die Schulbehörde, die den AfD-Fraktionschef an das Gymnasium vermittelt hatte, wie sich herausstellte. Das sei aber durchaus rechtens und ergebe sich aus der Verpflichtung zur »politischen Neutralität der Schulen«, antwortete Schulsenator Ties Rabe (SPD) auf eine Rücktrittsforderung der Linksfraktion.
Sabine Boeddinghaus, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, sagte: »Bis heute redet Rabe die Situation schön und ist in keinem Moment bereit, sich hinter seine Bediensteten zu stellen, selbst seinen Pressesprecher lässt er ins offene Messer laufen. Das ist selbstherrlich und unverantwortlich.« Rabe bagatellisiere die AfD, sein Demokratieverständnis sei rein »technisch«.
Zwar gab es eine Solidaritätsdemo für die Ida-Ehre-Schule. Der kleinen AfD-Fraktion ist es aber durch Unterstützung konservativer Medien gelungen, die SPD-geführte Schulbehörde vorzuführen, das linke Lager zu spalten und Antifaschismus in eine kriminelle Ecke zu stellen. Laut einem internen Strategiepapier »Vorhaben 2019« der AfD Mecklenburg-Vorpommern sei es das Ziel, den »Linksextremismus« anzugreifen. Getroffen werden soll dabei aber nicht bloß eine »Antifa Altona-Ost«, sondern eine tolerante, liberale Gesellschaft insgesamt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.