TTIP neu aufgelegt?

Obwohl der Handelskonflikt mit den USA nicht ausgestanden ist, wollen EU-Staaten Verhandlungen aufnehmen

  • Peter Eßer, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.

Um die transatlantischen Handelsbeziehungen steht es schlecht. Erst vergangene Woche bezeichnete US-Präsident Donald Trump die EU als »brutalen Handelspartner« und drohte mit Konsequenzen. Dennoch möchte Brüssel jetzt mit der Regierung in Washington über ein beschränktes Handelsabkommen verhandeln. Am Donnerstag entschieden die Botschafter der EU-Staaten in Brüssel, die EU-Kommission formell mit der Aufnahme von Verhandlungen zu beauftragen. Am heutigen Montag soll diese Einigung von den Regierungen der 28 Länder angenommen werden.

Die Zustimmung galt im Voraus als sicher. Eine deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten ist für Verhandlungen. Umstritten ist das Thema dennoch. Insbesondere Frankreich hatte den Schritt monatelang blockiert. Auch das EU-Parlament lehnt Handelsgespräche mit den USA zum jetzigen Zeitpunkt in weiten Teilen ab.

Hintergrund ist der Handelskonflikt, den Präsident Trump mit seinen Strafzöllen auf Stahl und Aluminium im Frühjahr vergangenen Jahres losgetreten hatte. Die EU reagierte damals mit Gegenzöllen, es drohte die Eskalation. Im Juli handelte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dann einen Kompromiss aus: Er versprach, mehr Flüssiggas und Sojabohnen aus den USA zu beziehen, und stellte ein Abkommen zum Abbau von Zöllen auf Industriegüter in Aussicht. Trump gelobte seinerseits, von weiteren Strafzöllen abzusehen.

Das hielt den US-Präsidenten nicht davon ab, weiterhin bei jeder Gelegenheit von Abgaben auf europäische und besonders deutsche Autos zu schwadronieren. Die deutsche Exportwirtschaft wurde zusehends nervös. Vergangene Woche legte Trump noch nach und drohte mit milliardenschweren Strafzöllen wegen der Subventionen europäischer Staaten für den Flugzeugbauer Airbus.

Vor dieser Drohkulisse hatte auch Juncker Schwierigkeiten, seinen Teil der Abmachung einzuhalten. Die Sojaeinfuhr aus Übersee ist gestiegen, die Infrastruktur für Einfuhren von Flüssiggas in der Mache. Aber für Handelsverhandlungen fehlte lange Zeit die Zustimmung der Mitgliedstaaten. Zum einen musste sich der Kommissionspräsident den Vorwurf gefallen lassen, eine Art TTIP light versprochen zu haben. Das transatlantische Freihandelsabkommen war nach jahrelangen Verhandlungen und heftigen Protesten eingefroren worden. Besonders Frankreich bestand darauf, TTIP endgültig ad acta zu legen, bevor neu verhandelt wird. In der aktuellen Einigung der EU-Botschafter wird TTIP nun zwar als »obsolet« bezeichnet, das entsprechende Verhandlungsmandat besteht aber weiterhin. »Wischiwaschi« nennt das Helmut Scholz, Handelsexperte der Linken im EU-Parlament.

Zum anderen hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gegen Abkommen mit Ländern ausgesprochen, »die nicht die gleichen Klimaanforderungen haben wie wir«. Für Trump ist Klimaschutz allenfalls lästig, unter seiner Führung haben die USA den Pariser Klimazielen entsagt. Vor diesem Hintergrund werde Frankreich am Montag - möglicherweise als einziges EU-Land - gegen die Aufnahme von Verhandlungen mit Washington stimmen, erklärte ein Regierungssprecher in Paris. Da für die Erteilung eines Verhandlungsmandats keine Einstimmigkeit nötig ist, bleibt es aber bei Symbolik.

Hinzu kommt, dass die USA gerne auch Handelsbarrieren bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen abbauen würden. Für die Europäer ist das bislang ausgeschlossen. Auch hier ist die Ablehnung Frankreichs am vehementesten. »Diese rote Linie wird in der jetzigen Einigung aber nicht deutlich genug«, kritisiert der Europa-Linke Scholz. Unter Druck könnten die EU-Verhandler am Ende doch einknicken, fürchtet er.

Im EU-Parlament ist auch der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange, gegen Verhandlungen. »Eine Aufnahme von Handelsgesprächen mit der US-Regierung im derzeitigen Klima ist inakzeptabel«, findet der SPD-Mann. Sozialdemokratische, grüne, linke und EU-skeptische Abgeordnete hatten im März gemeinsam eine Positionierung des Parlaments für ein Verhandlungsmandat mit den USA verhindert. Die Volksvertretung hat bei diesem Schritt zwar kein Mitspracherecht, für ein Abkommen bräuchte es am Ende aber ihre Zustimmung.

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