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Noch einmal in die Köpfe rein
Berlins Basketballer jagen nach dem famos erkämpften Ausgleich im Finale des Eurocups den ganz großen Titel
Wenn der 17-jährige Franz Wagner vom »geilsten Basketballspiel, das ich je gespielt habe«, spricht, ist das vermutlich noch nicht besonders aussagekräftig. Nutzt aber Geschäftsführer Marco Baldi Vokabeln wie »ganz besonders« und »außergewöhnlich«, ist das nicht mehr zu ignorieren. Der Mann ist schließlich seit 29 Jahren Führungsfigur beim Basketball-Bundesligisten Alba Berlin. Mit 14.500 Fans war die Arena am Ostbahnhof an diesem Freitagabend endlich mal wieder voll. Dazu ging es im zweiten Finalspiel um den Eurocup gegen einen übermächtig erscheinenden Gegner aus Valencia um viel. Europas Basketball schaute auf Berlin, es ging in die Verlängerung, und dort erzwang Alba dann tatsächlich mit 95:92 ein entscheidendes drittes Endspiel. In dieser Kombination hat selbst Baldi so etwas noch nicht erlebt: »Das war ein Fest. Dramaturgisch geht es nicht schöner.«
Die Berliner haben sich die Chance erkämpft, an diesem Montag erstmals in der Klubhistorie den zweithöchsten europäischen Klubwettbewerb zu gewinnen. Dazu müssen sie jedoch bei Valencia Basket siegen, also dort, wo sie vor knapp einer Woche in Spiel eins der Serie recht deutlich unterlegen waren. Sie wissen, dass die Spanier noch immer die großen Favoriten sind. »Ich wäre auch mit einer Niederlage zufrieden, solange wir unser Maximum abrufen, denn Valencia wird wieder gut spielen. Die haben in Spiel zwei besser getroffen, als bei ihrem Sieg in der ersten Partie. Jeder Spieler Valencias ist gefährlich«, versuchte Albas Trainer »Aito« Garcia Reneses, keine zu großen Hoffnungen aufkommen zu lassen. Und doch schloss er sein Statement mit diesem Satz ab: »Aber wir haben eine kleine Chance.«
An solchen kleinen Bemerkungen merkte man schon am Freitagabend, dass der Glaube der Berliner an die Sensation nach dem Sieg in Spiel zwei gestiegen ist. »Wir haben heute gezeigt, dass wir sie besiegen können. Natürlich wird es in Valencia noch mal härter als zu Hause, aber man hat gesehen, was wir für einen Charakter haben. Ich glaube, wir können das schaffen«, sagte Wagner, dessen Bruder, NBA-Profi Moritz Wagner, nur drei Tage nach seinem letzten Saisonspiel mit den Los Angeles Lakers überraschend zum Spiel des kleinen Bruders angereist war.
Der bereits vor dem Finale zum wertvollsten Spieler dieser Eurocupsaison gekürte Luke Sikma hatte in der Verlängerung einen wichtigen Dreipunktwurf und vier noch wichtigere Freiwürfe versenkt. Gewiss keine leichte Aufgabe vor so vielen erwartungsvollen Fans. »Ich habe versucht, mich zu entspannen. Klar wird man nervös. Wir trainieren Freiwürfe jeden Tag, aber es ist eben schwierig, sie vor 14 500 Zuschauern zu üben. So habe ich irgendwo tief in mir ein bisschen Frieden gesucht, und ich scheine ihn gefunden zu haben«, beschrieb der US-Amerikaner die entscheidenden Sekunden der zweiten Partie. Danach beschwor auch er die Chance, die sich den Berlinern nun eröffnet hat: »Wir haben die Gelegenheit, endlich einen Titel zu gewinnen. Dafür haben wir so hart gekämpft. Jetzt müssen wir die Gelegenheit irgendwie nutzen.«
Besonders die Amerikaner wie Sikma oder der erneut starke Lenker des Berliner Spiels, Peyton Siva, sind heiß auf ihre erste Trophäe mit Alba - besonders weil damit auch die Qualifikation für die kommende Euroleague-Saison einhergeht. Wenn sie schon nicht in der NBA unterkommen, ist die höchste europäische Spielklasse das nächste Ziel der vielen Amerikaner, die in Übersee spielen. Um Leute wie Sikma und Siva also in Berlin zu halten, wäre ein Sieg am Montag nicht unwichtig. Ansonsten müsste schon der deutsche Meistertitel her.
Das Problem ist, dass Valencia schon jetzt eine Mannschaft auf Euroleague-Niveau hat. Dort spielten sie als spanischer Meister in der vergangenen Saison. Die Spanier bestechen mit Kraft, Treffsicherheit und viel Erfahrung. Zumindest Letzteres muss in den kühnen Hoffnungen der Berliner aber nicht unbedingt ein Vorteil sein, schließlich waren acht Spieler der Spanier auch beim Eurocup-Finale vor zwei Jahren schon dabei. Damals gewann Valencia wie 2019 Spiel eins in eigener Halle und verlor danach in Malaga. Spiel drei ging dann vor den eigenen Fans sensationell auch verloren. Alba Berlin hätte nichts gegen eine Wiederholung dieses Szenarios.
»Wir leben noch, und jetzt schauen wir mal, was dabei herauskommt. Allein mit guter Taktik und guten Würfen werden wir Valencia nicht schlagen können«, prophezeite Marco Baldi am Freitagabend. »Aber wenn wir lange dran bleiben und damit irgendwie in ihre Köpfe kommen; wenn sie dann denken ›Oh Mann, nicht schon wieder!‹ Dann haben wir eine Chance.«
Trainer Aito Reneses kann sich auch noch an das Finale 2017 erinnern: »Valencia hatte das Spiel schon fast in der Tasche. Dann spürten sie den Druck und trafen nichts mehr. Gegen uns haben sie jetzt schon gezeigt, dass sie unter Druck auch schwere Würfe treffen können. 2017 war also sehr speziell. Das passiert nur einmal im Leben.« Sein Geschäftsführer Marco Baldi wird dennoch hoffen, dass sein Trainer mal unrecht hat und er erneut einen »außergewöhnlichen Abend« erleben darf.
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