Banken kassieren weiter bei den Ärmsten
Basiskonto
Bevor der erste Startschuss für das neue Basiskonto gefallen war, hatten Verbraucherschützer bereits geunkt: Es drohen zu hohe Gebühren! Bald zeigte sich während des Sommers 2016, dass die Warnungen der Fachleute berechtigt waren.
Der Grundpreis für das Arme-Leute-Konto betrug tatsächlich bis zu 10 Euro im Monat. Hinzu kamen dann noch zusätzliche Kosten für Buchungen, Überweisungen oder für eine Girocard. Seither scheint das Basiskonto nicht wirklich preiswerter geworden zu sein. Darauf weisen verschiedene Marktübersichten hin, die seither unter anderem von Verbraucherschützern und Stiftung Warentest erstellt wurden.
Und heute? 8,99 Euro im Monat plus eine Gebühr von 1,50 Euro für jede beleghafte Überweisung. Das ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zu teuer. Für besonders schutzbedürftige Kunden seien die Kosten für das Basiskonto der Deutschen Bank »unangemessen hoch und damit unwirksam«, befanden die Richter des OLG.
Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Berlin. Er hat auch noch weitere Geldinstitute wegen zu hoher Preise abgemahnt oder verklagt. Auch die Bundesfinanzaufsicht BaFin in Frankfurt am Main prüft die Konditionen der Geldhäuser, sie dürften keine »Abwehrpreise« verlangen, heißt es aus dem Amt. Bislang blieben solche Mahnungen offenbar folgenlos.
Dabei soll ein Basiskonto, so die rechtliche Ausgestaltung, wirtschaftlich schwächeren Menschen, Obdachlosen und Asylsuchenden den lebensnotwendigen Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr eröffnen. Und damit Ein- und Auszahlungen, Überweisungen und Kartenzahlung im Alltag möglich machen.
Anspruch und Wirklichkeit
Bundesweit leben und arbeiten schätzungsweise mehr als eine halbe Million Menschen ohne Konto. Dazu kommt eine unbekannte Zahl an Flüchtlingen und Migranten. Doch ohne Bankverbindung ist es schwer, eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz zu finden, den Strom zu bezahlen, einen Handyvertrag abzuschließen oder im Internet einzukaufen. Selbst der Bezug von Sozialleistungen ist in Deutschland ohne Konto schwierig.
Zwei Jahrzehnte lang war in der Europäischen Union um das Basiskonto politisch gerungen worden. Banken und Sparkassen in Deutschland wurden dann 2016 durch das Zahlungskontengesetz (ZKG) verpflichtet, jedem der sich legal in Europa aufhält, ein Girokonto einzurichten. Die Institute dürfen Verbraucher nicht mehr zurückweisen, nur weil sie obdachlos, arm oder verschuldet sind.
Das Basiskonto vereinigt alle Grundfunktionen eines normalen Girokontos: Kunden können Bargeld abheben, Überweisungen und Lastschriften tätigen oder mit der Girokarte (»EC-Karte«) an der Ladenkasse zahlen. Einen Unterschied zu einem »normalen« Girokonto gibt es allerdings: Das Basiskonto wird auf »Guthabenbasis« geführt - nur was auf dem Konto drauf ist, kann vom Kontoinhaber auch ausgegeben werden. Dispokredit und Kreditkarte sind deswegen für ihn tabu.
Grundlegende Probleme blieben. Die schwarz-rote Bundesregierung Merkel/Gabriel hatte seinerzeit versäumt, einen genauen Kostenrahmen für das neue Kontenmodell festzulegen. In Paragraf 41 des ZKG heißt es lediglich, das Entgelt müsse »angemessen« sein - eine »Wischiwaschi-Formulierung«, wie Kritiker von vorherein befürchtetet hatten. Da der Gesetzgeber bis heute schweigt, sind die Gerichte gefordert.
Was ist »angemessen«?
Bundesweit haben sich zwei grundlegend unterschiedliche Entgeltmodelle für Girokonten durchgesetzt: entweder ist monatlich ein Pauschalentgelt fällig oder (neben einem geringen Grundpreis) es wird für jede einzelne Kontobewegung vom Kunden gezahlt. Allerdings bleibt in der Praxis der Preis oder wenigstens das Preis-Leistung-Verhältnis oft für die Verbraucher unklar.
Selbsthilfe ist also angesagt. Wer ein Basiskonto möchte, sollte sich daher Zeit nehmen, Preise und Konditionen genau zu vergleichen. Denn Geldinstitute können sogar günstig: Viele öffentliche Sparkassen sowie genossenschaftliche Volks- und Raiffeisenbanken verkaufen Basiskonten preisgünstig (unter 5 Euro monatlich). Online-Banken bieten im Internet sogar kostenlose Basiskonten an.
Doch wie hoch darf der Preis für ein Basiskonto eigentlich genau sein? Dazu schwiegen die Frankfurter Richter im Fall der verurteilten Deutschen Bank. Die Kosten sollten das durchschnittliche Nutzerverhalten der Inhaber widerspiegeln. Wie bereits das Zahlungskontengesetz vorschreibt. Das sei aber bei der Deutschen Bank nicht der Fall. Auch habe das Geldhaus rechtswidrig Kostenelemente berechnet, so die OLG-Richter, welche aus gesetzlichen Vorgaben resultierten und daher nicht an Kunden weitergegeben werden dürften.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war bei Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftig. Die Deutsche Bank kann Revision zum Bundesgerichtshof einlegen. Einen Weg, den noch weitere Banken, die von Verbraucherschützern verklagt wurden, beschreiten könnten.
Bis zu einer endgültigen Klärung wird es also noch mehrere Jahre dauern. Verbrauchern bleibt bis dahin allein die Selbsthilfe.
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