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Wer, denkst du, bist du, Alter?
Die Stand-Up-Comedian Enissa Amani ist komisch, will aber nicht »Komikerin« genannt werden
Vor ihrer Auseinandersetzung mit der Fernsehkritikerin Anja Rützel hatte ich noch nie etwas gehört von der Standup-Comedian Enissa Amani, die bei einem Fernsehauftritt neulich darum bat, nicht »Komikerin« genannt zu werden. Ich wusste darum auch nichts von ihren komischen und sonstigen Fähigkeiten. Und das, obwohl sie offenbar schon seit Jahren nicht nur über ihre Social-Media-Kanäle, sondern mittlerweile über das Streamingportal Netflix, aber auch herkömmliche Medien sowie auf wochenlangen Live-Tourneen ein Millionenpublikum äußerst erfolgreich als Vortragskünstlerin bedient. Höchste Zeit also, sich einmal auf den einschlägigen Plattformen nach Frau Amani umzuschauen. Was ist los mit dieser sogenannten Influencerin?
Um mit ihrer Fernsehansprache zu beginnen, die von Anja Rützel auf »Spiegel Online« (SPON) verrissen wurde: Die ist ihr tatsächlich etwas unkomisch geraten. Als überhaupt nicht lustig galt aber vor allem Amanis Idee, ihre millionenschwere Followerschaft gegen die SPON-Autorin aufzubringen. Rützels Kritik an ihr sei rassistisch motiviert gewesen. Das sei offensichtlicher Quark, meinten dagegen Rützel und ihre mittlerweile zahlreichen Supporter aus der deutschen Großpublizistik, was die Autorin Sibel Schick auf Twitter so kommentierte: »Almans wissen am allerbesten, was Rassismus ist.«
Frau Rützel jedenfalls beklagte, dass sie von Amanis Fans so heftig getrollt worden sei, dass sie ihren Instagram-Account auf privat setzen musste; wie das übrigens einige Wochen zuvor auch der ZDF-Journalist Reinhard Schlieker mit seinem Twitter-Auftritt machte, nachdem ihn die ebenfalls nicht gerade followerarme SPON-Kolumnistin Margarete Stokowski durch den Retweet einer besonders dämlichen seiner Bemerkungen einem fulminanten Shitstorm ausgesetzt hatte. Witzig nur: Letzterer wurde von der Großpublizistik nicht mal annähernd so aufgeregt problematisiert wie jetzt die Followeroffensive gegen Rützel. Wahrscheinlich nur eine Frage des richtigen Milieus, zu dem die eine gehört. Und die andere nicht. Aber das nur so nebenbei.
Gibt man den Namen von Enissa Amani bei Google ein, gelangt man unweigerlich zu einem offenbar sehr beliebten Programmpunkt ihres Stand-Up-Repertoires. Darin geht es um ihre Erlebnisse als Flüchtlingskind, von denen Amani als Tochter sozialistischer Eltern, die 1985 aus dem Iran flüchten mussten, ihrer Erzählung nach nicht nur etliche, sondern auch einige sehr lustige hatte. Bei einem Auftritt 2015 in einer Stefan-Raab-Show beginnt sie diese Nummer, indem sie erklärt, dass sie schon aufgrund der eigenen Erfahrungen selbstverständlich dafür eintrete, alle Menschen, die in Not sind, in Deutschland aufzunehmen. Außer Rumänen, wie sie nach einer gut getimten Pause hinzufügt. Von denen gebe es einfach zu viele. Auch kämen die immer im Rudel. Und seien alle Diebe. Ach nee, das wären ja die Polen. Die Bulgaren dagegen: »Alle total cool - zumindest die netten, die mag ich.«
Wer so in ein Stand-Up zum Thema Migranten einsteigt, kann keine schlechte Comedian sein wie jetzt viele von Enissa Amani behaupten. Ganz beiläufig knöpft sie sich hier die auch unter Linken verbreitete Bigotterie vor, wonach man gegen gute, brave Zugereiste ja nichts habe, aber gegen die, die nicht so spuren, schon. Amanis Antwort darauf ist ebenso präzise wie komisch: »Wer, denkst du, bist du, Alter? Aschenputtel oder was?« - was ihr bei Raab allerdings nur einen auffallend mäßigen Beifall des überwiegend geburtsdeutsch aussehenden Studiopublikums einbringt.
Ich bin jetzt Instagam- und Facebook-Follower Enissa Amanis. Und seit ich auf Youtube ihr Video sah, in dem sie die offen rassistischen Äußerungen des AfD-Kaders Andreas Winhart trotz dessen geballter juristischer Androhungen ungebrochen zornig als gefährliche Scheiße bezeichnet, bin ich auch ihr Fan.
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