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Weiterhin schlechte Menschen
Tim Wolff über perfide Meinungsmache in der «Bild»-Zeitung und eine Verteidigung von Jörg Haider
Immer, wenn die elende «Bild»-Zeitung einen doch mal wieder dazu bringt, etwas über sie zu äußern, kommt irgendwer daher und zitiert Max Goldt. Also bringe ich das gleich mal hinter uns: «Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.»
Und selbst wenn das noch immer eine fein formulierte Maxime ist, fungiert die Abneigung gegen «Bild» längst auch als ressentimentgeladener Minimalkonsens der Gutmeinenden. Dabei erlebt man bei der «FAZ» mehr Homophobie, bei der «SZ» weitaus mehr Antisemitismus und bei der «Welt» mehr antikommunistischen Wahn inklusive der Aktivitäten eines «Don Alphonso» - um nur ein paar Beispiele zu nennen.
In der Spätphase des «Bild»-Chefs Kai Diekmann war sogar zu beobachten, dass die entschuldende Selbsteinschätzung, das niederträchtige Organ sei doch eher ein postmoderner Spaß, gelegentlich zu beinahe progressiven Kampagnen führte, zum Beispiel beim Coming-out des Ex-Fußballnationalspielers Thomas Hitzlsperger. Man vermutete wohl, dass die alte homophobe Leserschaft wegstirbt und man eine junge bei sinkenden Verkaufszahlen mit dergleichen nicht gewinnt. Doch als man ähnlich Menschenfreundliches 2015 in einer nationalen Stimmung vermeintlicher Offenheit mit Flüchtlingen versuchte, schwand das Publikum noch schneller als ohnehin schon. Seither versucht Diekmanns Nachfolger Julian Reichelt mit klassischer Ausländerfeindlichkeit das AfD-Volk heim ins «Bild»-Reich zu holen, scheitert aber an seiner Abneigung gegen Russland, die ihm die Putin ehrenden AfDler nicht verzeihen.
Aber kein Grund aufzugeben, dem potenziellen «Bild»-Publikum Honig ums Bärtchen zu schmieren und es, etwa gegen Sozialforschung, mit klassischer Perfidie zu verteidigen: «ZDF-Kleber entlarvt Asyl-Studie». So die Schlagzeile am Samstag, gefolgt von vier Artikeln und einem Kommentar, in deren Überschriften es vor kampfironischen Anführungszeichen schäumt: «Was bedeutet ›rechtspopulistisch‹ eigentlich?», «Alles ›rechts‹?», «So ›enthüllten‹ die Wissenschaftler (diese immerhin ohne Anführung), dass angeblich jeder 2. Deutsche etwas gegen Flüchtlinge hat!»
Wie bei jeder «Bild»-Inszenierung gibt es einen scheinbaren Anlass (und «Riesen-Wirbel», den freilich erst mal nur das Drecksblatt veranstaltet): Im «Heute-Journal» waren zwei Fragen zu einer Studie über Rechtsextremismus in Deutschland gestrichen worden. Diese Fragen werden ach so entlarvend wiederholt, die durchaus schlüssigen Antworten der Studienmitautorin Beate Küpper natürlich nicht. Stattdessen wird, darauf muss man auch erst mal kommen, Jörg Haider verteidigt: «Er klagte immer wieder gegen Medien, die ihn ›rechtsradikal‹ oder ›rechtsextrem‹ nannten, und gewann, weil es keine harten Belege dafür gab. Gegen die Bezeichnung ›Rechtspopulist‹ konnte er nichts machen, weil sie zu unpräzise ist.» Der Arme.
Womit «Bild» aber immerhin recht hat: Die Studie «enthüllt» nichts. Sie bildet nur ab, was jeder wissen kann, der mit blutsdeutscher Verwandtschaft und Bekanntschaft gesegnet ist. Und das auch noch sozialdemokratisch verharmlosend: Dass jeder zweite Deutsche Flüchtlinge nicht schätzt, ist ja nur ein Symptom des Rassismus, den circa jeder einte Deutsche teilt - mit Ausnahme derer, die ihm ausgesetzt sind. (Und von Ihnen selbstverständlich!)
Genau diesen will die «rechtspopulistische» (unpräzise formuliert) «Bild»-Zeitung weiterhin befeuern, bis Flüchtlinge brennen. Weswegen Sie dann bitte doch weiter auf Max Goldt hören.
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