Kritik an Behörden nach Nazi-Demo in Plauen

Linkspartei, Grüne und SPD fordern von Polizei und Versammlungsbehörde härteres Durchgreifen / LINKE-Abgeordnete Martina Renner stellt Parteienprivileg des »Dritten Wegs« in Frage

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Trommeln, Pyrotechnik, uniformhafte Kleidung: Nach dem quasi-paramilitärischen Aufmarsch der Neonazi-Kleinstpartei »III. Weg« in Plauen am 1. Mai ist eine Diskussion um das Verhalten von Versammlungsbehörde und Polizei entbrannt. Linkspartei, Grüne und SPD kritisierten am Donnerstag das Verhalten der Behörden. »In Plauen durften Nazis uniformiert, mit Fackeln und Trommeln marschieren«, erklärten der sächsische LINKE-Fraktionschef Rico Gebhardt und seine Fraktionskollegin Janina Pfau in Dresden. Für die Politiker sei »mehr als offensichtlich, dass der 'III. Weg' zurück ins 'Dritte Reich' führen soll«. Man habe kein Verständnis dafür, dass die Kundgebung in dieser Form genehmigt worden war.

»Aufmärsche im SA-Stil dürfen und werden wir nicht dulden«, sagte ebenso Henning Homann, stellvertretender SPD-Fraktionschef im Landtag. Der Begriff der »wehrhaften Demokratie« dürfe nicht zur Floskel werden. Der Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann fügte hinzu: »Solches Gebaren im öffentlichen Raum vermittelt Gewaltbereitschaft und wirkt einschüchternd.« Die Behörden hätten damit »Neonazis ohne Not Erfolge auf der Straße« gewährt.

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich empört. »Wenn es die sächsische Landesregierung mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus ernst meint, darf sie solche Demos nicht zulassen«, sagte Präsident Josef Schuster am Donnerstag. Die jüdische Gemeinschaft erwarte von den zuständigen Behörden und der Landesregierung entschlossenes Handeln und sichtbare Konsequenzen. Der Aufmarsch habe ausgerechnet am Vorabend des jüdischen Shoa-Gedenktages stattgefunden und lasse Erinnerungen an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wach werden.

Polizei und Versammlungsbehörde konnten dagegen bisher kein Fehlverhalten bei sich erkennen. »Ich freue mich, dass die Umsetzung des auf Deeskalation beruhenden polizeilichen Einsatzkonzeptes gelungen ist und dass der Blick nach Plauen ein friedliches 1. Mai-Geschehen zeigte«, teilte der polizeiliche Einsatzführer, Polizeioberrat Alexander Beitz, am Mittwochabend mit.

In mehreren Tweets hatte sich die sächsische Polizei am Donnerstag weiter erklärt: »Bei den getragenen T-Shirts [des Dritten Wegs] handelte es sich weder um eine Uniform, noch um Teile einer Uniform.« Verwiesen wurde hierbei auf eine Definition des Bundesgerichtshof aus dem Jahr 2018 sowie ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden von 2014. Eine gleichartige Kleidung habe demnach nicht vorgelegen, da »keine Anlehnung an aktuelle oder historische Uniformen ersichtlich war«.

Der Einsatz von Pyrotechnik durch die rechten Demonstranten war zuvor durch die Versammlungsbehörde mit Auflagen genehmigt worden. Mit einem Fackelverbot für den »Dritten Weg« sei die Behörde in der Vergangenheit vor dem Versammlungsgericht Chemnitz gescheitert, teilte die Polizei mit.

Doch ist die Rechtslage wirklich so eindeutig, wie die Antworten der sächsischen Polizei suggerieren?

Die Uniformierung auf einer Versammlung ist durch Paragraf 3 des Sächsischen Versammlungsgesetzes verboten. Das Sächsisches Oberverwaltungsgericht hatte 2009 in einem Urteil gegen die NPD dabei bestätigt, dass das »Tragen von gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung« gegen das Versammlungsrecht verstößt. Voraussetzung sei, dass die zivilen Kleidungsstücke in ihrer Außenwirkung »suggestiv-militant« eine einschüchternde Wirkung verbreiten. In dem Verfahren ging es um das Tragen von Springerstiefeln und Bomberjacken.

»Es kann schlicht nicht sein, dass sich die Wiedergänger des NS auch als solche inszenieren können, ohne das der Staat seinen Spielraum ausschöpft«, erklärte am Donnerstag der Jurist und sächsische Grünen-Politiker Jürgen Kasek. Für ihn habe es sich klar um eine einschüchternde Wirkung der Demonstration gehandelt. Auch nach Meinung des Staatsrechtlers Christoph Degenhart von der Universität Leipzig hätte die Polizei in Plauen einschreiten können. Eine einschüchternde Wirkung hätten die Beamten jedoch offenbar nicht vernommen. »Ihre Einschätzung ist vertretbar, auch wenn ein Einschreiten durchaus im Bereich des Möglichen gelegen hätte.«

Für die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (LINKE) stellt sich nicht nur die Frage nach der Rechtsauslegung des Uniformverbots. Man müsse viel mehr klären, »warum eine offene Wiederbetätigung in Ideologie und Form des Nationalsozialismus durch diese Nazikleinstpartei« geduldet werde, so die Politikerin.

Für ein Verbot ist relevant, ob der »III. Weg« vom Innenministerium als Partei oder Verein bewertet wird. Das Verhältnis zur Gewalt ist wichtig und die Frage, ob die Organisation als eine reale Bedrohung für die demokratische Ordnung in Deutschland angesehen wird. Ein solches Verbot ist generell schwierig, aber nicht unmöglich. 1995 wurde vom Bundesinnenministerium auch die nationalsozialistische »Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei« (FAP) nach dem Vereinsrecht verboten. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die FAP keine Partei sei.

Die Neonazis vom »Dritten Weg« selbst machen in zahlreichen Publikationen und Äußerungen keinen Hehl daraus, dass sie den Parlamentarismus verachten. Ihre Organisation als Partei dient vor allem dem Schutz vor einem Verbotsverfahren. mit Agenturen

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