Tsunami für die Bildung

Niklas Franzen über die Bildungsproteste in Brasilien

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 2 Min.

Von einem »Tsunami der Bildung« sprachen die Aktivist*innen. Am Mittwoch streikten und demonstrierten in allen brasilianischen Bundesstaaten bis zu eine Million Student*innen, Schüler*innen und Professor*innen gegen Kürzungen im Bildungsbereich. Es waren die größten regierungskritischen Proteste seit dem Amtsantritt der rechtsradikalen Regierung am 1. Januar. Lange Zeit sah es so aus, als ob die brasilianische Linke in ihrem Schockzustand nach der Wahl des Faschisten Jair Bolsonaro verweilen würde. Nun hat sie ein starkes Lebenszeichen gesendet.

Bildung ist ein Reizthema in Brasilien. Präsident Bolsonaro und sein Bildungsminister Abraham Weintraub hatten vergangene Woche verkündet, die Ausgaben für staatliche Universitäten um 30 Prozent zu kürzen. Viele interpretieren dies als einen »ideologischen Vergeltungsschlag«. So hetzen Regierungsvertreter*innen regelmäßig gegen eine angebliche marxistische Hegemonie an den Universitäten. Auch staatliche Schulen sollen von der Sparpolitik betroffen sein, ebenso Stipendienprogramme, von denen gerade marginalisierte Bevölkerungsgruppen profitieren. Die Kürzungspläne sind somit auch ein direkter Angriff auf die Armen. Regierungsvertreter*innen hatten sogar ganz offen erklärt, dass Bildungseinrichtungen in Zukunft wieder einer »intellektuellen Elite« vorbehalten sein sollen.

Lesen sie auch zum Thema: Hunderttausende streiken gegen Bolsonaros Bildungspolitik. Rechtsradikaler Präsident will die Mittel für staatliche Universitäten um 30 Prozent kürzen

Und wie reagierte Bolsonaro auf die Proteste? Der beschimpfte die Demonstrant*innen in verschwörungstheoretischer Manier als »nützliche Idioten«, die von einer Minderheit gesteuert seien. Zuvor hatten Rechte massenhaft Whatsapp-Nachrichten verschickt, in denen staatlichen Universitäten diffamiert wurden. Diese Reaktionen zeugen vor allem von einer Verängstigung über die aufflammenden Bildungsproteste. Studien zeigen, dass eine große Mehrheit der Brasilianer*innen die Anliegen der Demonstrant*innen unterstützt. Zum ersten Mal seit langer Zeit sieht es so aus, als könnte die Linke auch den Kampf um die Narrative für sich entscheiden und den rechten Hetz- und Desinformationskampagnen wirklich etwas entgegensetzen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.