Annäherung in Bremen

Nach der Wahl könnte Rot-Rot-Grün regieren

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Frank Imhoff ist kein Mann der großen Emotionen. In der Sitzung der Bremischen Bürgerschaft vom 13. Dezember ratterte der CDU-Parlamentsvizepräsident mit norddeutschem Dialekt die Tagesordnungspunkte herunter, die ohne Debatte beschlossen wurden. Interessant wurde es beim Punkt 68. Der Antrag lautete: »Das eigene Geschlecht - eigene Entscheidung: Geschlechtszuweisende Operationen an intergeschlechtlichen Kindern verbieten.« Gestellt hatte ihn die Linksfraktion, und er wurde mit großer Mehrheit - unter anderem von den Koalitionsfraktionen der SPD und der Grünen - angenommen.

Eine solche Einheit war in dieser Legislaturperiode kein Einzelfall. »Zwischen SPD, Grünen und uns existiert grundsätzlich ein kollegiales Verhältnis. Insbesondere in den letzten Wochen wurden mehrere Anträge von uns in der Bürgerschaft angenommen«, sagte die Linksfraktionschefin und Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl, Kristina Vogt, dem »neuen deutschland«. Nach der Landtagswahl in Bremen am 26. Mai erwarten viele Beobachter, dass es zu einer rot-rot-grünen Koalition kommt. Es wäre die erste direkte Regierungsbeteiligung der Linkspartei in Westdeutschland.

In den Umfragen hat der rot-grüne Senat unter Führung von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) keine Mehrheit mehr. Rot-Rot-Grün würde hingegen auf 55 Prozent der Stimmen kommen. Natürlich dürfe man keine reine Mehrheitsbeschafferin für Rot-Grün sein, so Vogt. Bedingungen für die Linkspartei sind, dass »Bremen sozial gerechter und ökologischer wird sowie eindeutig eine klare Kante gegen die Rechtsverschiebung unserer Gesellschaft gezeigt wird«. Ihre Partei habe keine explizite Liste mit roten Haltelinien für mögliche Koalitionsverhandlungen. Weiteren Personalabbau oder gar Privatisierungen schloss Vogt aus. Diese Punkte stehen derzeit ohnehin nicht auf der rot-grünen Agenda.

Gemeinsame Interessen der drei Parteien sind die Ausbildungsumlage und Verbesserungen beim ÖPNV. »Größere Differenzen sehen wir in der Innenpolitik und in der Handhabe von finanzpolitischen Spielräumen«, so Vogt. Die Linkspartei hatte unter anderem die vorgesehene Ausweitung der Videoüberwachung beim geplanten neuen Polizeigesetz kritisiert. Ähnlich sehen das die Grünen. Sie haben das SPD-Vorhaben blockiert, weil der Staat ansonsten stark in Grundrechte der Bürger eingreifen würde. Im Polizeigesetz sollten neben mehr Möglichkeiten zur Videoüberwachung auch der verstärkte Einsatz elektronischer Fußfesseln sowie mehr Telekommunikationsüberwachung festgelegt werden. Hier könnte sich die SPD mit der CDU schneller einigen.

Möglicherweise ist Rot-Rot-Grün aber die einzige Möglichkeit für die SPD, weiter den Regierungschef zu stellen. Die Sozialdemokraten stehen laut aktuellen Umfragen bei nur 25 Prozent und müssen fürchten, hinter der CDU (26 Prozent) zu landen. Ein Bündnis mit Grünen und Linkspartei wäre für die SPD aber kein reines Zweckbündnis. In führenden Kreisen der Sozialdemokraten wird das Verhältnis zur Linksfraktion in der Bürgerschaft als zumeist »ordentliche Arbeitsbeziehung« gelobt. Bürgermeister Sieling, der seit Juli 2015 im Amt ist, hatte am 23. März in einem Interview mit dem »neuen deutschland« eine Koalition unter Beteiligung der LINKEN nicht ausgeschlossen. Er hat zu einigen Politikern der Partei schon länger gute Kontakte. Sieling war früher Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Aert van Riel

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