Und wieder grüßt das Murmeltier

Christoph Ruf über einen nackten David, eine fußballbegeisterte Leserin und über diverse Rück- und Fehltritte

Schluss, Aus, Feierabend, die Saison 2018/2019 ist zu Ende. Dass das bayrische Murmeltier wieder von ganz oben grüßt, dürfte selbst in Dortmund niemanden überraschen. Die Abstiege von Hannover und Nürnberg haben sich ebenfalls lange abgezeichnet. Zu Hannover ist alles gesagt, Nürnberg durfte man bis zum 33. Spieltag bescheinigen, dass seine Spieler alles getan haben, um als nackter David ohne Steinschleuder gegen 17 Goliathe zu bestehen. Dafür wurden sie nach dem letzten Heimspiel von einer Fanszene gefeiert, die damit nicht zum ersten Mal bemerkenswerte Feinfühligkeit bewiesen hat. Am Samstag, in Freiburg, hätten genau diese Fans allerdings jedes Recht gehabt, sich verarscht zu fühlen. Was die Spieler da beim 1:5 (nicht) geleistet haben, war eine einzige Respektlosigkeit gegenüber 3 500 mitgereisten Fans, die in dieser Saison nie mehr erwartet haben, als dass sich ihre Mannschaft wehrt.

Dass es die Frankfurter Eintracht, deren Fans in dieser Saison so viel mehr vom Faszinosum Fußball vermittelt haben als es ein Spiel an sich je könnte, noch in den europäischen Wettbewerb geschafft hat, ist eine schöne Randnotiz dieser Saison, die mich - Sie kennen das ja allmählich - jenseits der ersten Liga weit mehr interessiert hat als in der obersten Etage.

Seit Ende Juli vergangenen Jahres warte ich deshalb auch darauf, der werten »nd«-Leserbriefschreiberin Barbara Kaiser zu versichern, wie ich mich freue, dass Sie mit einem bewundernswerten Fußballgeschmack gesegnet ist. Denn natürlich wird der vergangene Samstag nicht in die Geschichte eingehen, weil die Bayern ihren 327. Meistertitel gefeiert haben, sondern weil ihr Lieblingsverein FC Carl Zeiss Jena endgültig die Klasse gehalten hat. Ich hoffe, liebe Frau Kaiser, Sie haben das gebührend gefeiert oder waren gegen 1860 München sogar selbst vor Ort. Meine erste Amtshandlung im Juli wird es jedenfalls sein, endlich mal wieder ins Paradies zu fahren und in Jena richtigen Fußball zu schauen. Ist schon wieder ein halbes Jahr her.

War sonst noch was? Ja, Reinhard Grindel ist als DFB-Präsident zurückgetreten. Es war der Rücktritt eines geborenen Berufspolitikers - ein Typus, der weite Teile der Gesellschaft in seinem Würgegriff hat. Von Geburt an anpassungsfähig, sprachlich wie intellektuell gleichermaßen mittelmäßig, wanzt er sich überall dorthin, wo er hoffen kann, dass ein kleines bisschen Macht und Einfluss auf ihn abfärben können. Der Typus ist in unserer Gesellschaft schwer gefragt. Scheitern kann er nur, wenn ihn die eigene Gier aus der Schleimspur trägt. Heinz-Christian Strache weiß, was gemeint ist.

Auch sonst hat sich einiges an Unerfreulichem ereignet, das man vor lauter Auf- und Abstiegen nicht vergessen sollte. Erinnern Sie sich noch an die Trauerfeierlichkeiten, die Fans des Chemnitzer FC zu Ehren des verstorbenen Nazi-Ordners Thomas H. abhielten? Ein Freund schrieb mir damals: »Ich stelle mir gerade folgendes vor: wenn demnächst SS Sigi abnippelt, macht die Dortmunder Südtribüne eine riesige Gedenk-Choreographie, Nobby Dickel hält eine Trauerrede und Marco Reus holt beim Torjubel ein Borussenfront-Shirt raus. Weil: Es geht ja um den Menschen Siegfried B:, der zeitlebens glühender BVB-Fan war.« Unvorstellbar? in Dortmund schon. In Chemnitz ist es genau so passiert. Und weil die Spieler unbedingt zeigen wollten, dass sie auch wirklich gar nichts verstanden haben, machten sie nach dem Spiel gegen Meuselwitz die »Welle« vor der wegen der Entgleisungen für ein Spiel gesperrten Fantribüne.

Vollkommen schräg auch, was gerade in Kaiserslautern passiert, wo ein schwerreicher Luxemburger Unternehmer mal eben bestimmt, welcher demokratisch gewählte Funktionär abtreten muss, damit die Millionen fließen. Michael Littig trat als Beiratsmitglied und Aufsichtsratsvorsitzender des e.V. dann auch zurück. Und das nicht freiwillig. Ob und wie der DFB darauf reagiert, dass seine eigenen Statuten so dermaßen offensichtlich mit Füßen getreten werden, wird sich weisen. Die 50-plus-eins-Regel, die den Einfluss von Investoren begrenzen soll, ist im deutschen Fußball Teil der Statuten. In Kaiserslautern fiel sie in der vergangenen Woche dermaßen eindeutig einem geplanten Meuchelmord zum Opfer, dass es eigentlich jeder merken müsste. Reinhard Grindel, der als Compliance-Beauftragter des europäischen Verbands nicht gemerkt hat, dass die Annahme einer teuren Uhr ein Problem sein könnte, amtiert ja nicht mehr.

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