- Politik
- Spannungen mit den USA
Irans Wirtschaft stöhnt und ächzt
Die steigenden Spannungen mit den USA haben ihren Preis - diesen zahlt die iranische Bevölkerung
An der Meerenge von Hormus drängen sich amerikanische, iranische, saudische Kriegsschiffe auf engstem Raum. Bei Twitter ist der amerikanisch-iranische Krieg Anfang dieser Woche schon in vollem Gange: »Wenn Iran kämpfen will, wird das das offizielle Ende Irans sein. Droht nie wieder den USA!«, schrieb US-Präsident Donald Trump. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif gab kurz darauf zurück, »genozidale Pöbeleien« seien zwecklos, Trump solle es einfach mal mit Respekt versuchen.
Doch in Iran selbst spitzt sich die Lage mittlerweile rasend schnell zu: Am Dienstagmorgen kostete ein US-Dollar auf dem freien Markt um die 140 000 iranische Rial. Zum Vergleich: 2015, als das Atomabkommen in Kraft trat, bekam man einen Dollar für etwa 50 000 Rial. Vor einem Jahr, als Trump den amerikanischen Ausstieg aus dem Abkommen bekannt gab, wurden 70 000 Rial aufgerufen.
Die Auswirkungen sind für die Menschen deutlich spürbar: Vor allem Medizin und Fleisch sind extrem teuer geworden - viele Rentner könnten sich nun notwendige Medikamente nicht mehr leisten, warnte Gesundheitsministerin Marzieh Vahid Dastdscherdi am Sonntag in einem Bericht vor dem Parlament. Sie ist eine von vielen Ministern, die in diesen Tagen mehr Geld verlangen. In Iran beschließt das Parlament sowohl den Staatshaushalt als auch die Nachtragshaushalte.
Längst decken sich Einnahmen und Ausgaben nicht mehr: Um 16 Prozent hatte man den Etat 2019 im März aufgestockt, während die Regierung von Präsident Hassan Ruhani die Prognosen fast jede Woche erneut senken muss: Mittlerweile geht man für das laufende Jahr von einer schrumpfenden Wirtschaft um etwa fünf Prozent aus.
Das heißt, dass die Arbeitslosigkeit, die Preise in Iran weiter steigen werden, und damit auch die Armut, die mittlerweile die Mittelschicht erreicht hat. Ende 2018 lag die offizielle Arbeitslosenquote bei 12,3 Prozent. Bis Ende 2019 dürfte sie auf 16 Prozent steigen, schätzt die Regierung. Das bedeutet, dass sie noch sehr viel höher liegen dürfte. Denn vor allem den Bausektor, die Stahl- und Autoindustrie haben die gestiegenen Währungskurse hart getroffen. Dort ist man stark vom Import von Rohmaterialien abhängig, und gezahlt wird vor allem in Dollar. Die Erwartungen aus dem Ölexport haben sich indes nicht erfüllt: Weil die Fördereinrichtungen nach der Unterzeichnung des Atomabkommens oft veraltet waren, kam die Ölförderung nicht wie erwartet in Gang. In den vergangenen Monaten exportierte Iran 1,3 Millionen Fass pro Tag, und das zu einem weit geringeren Preis als erwartet - ursprünglich hatte die Regierung 1,7 Millionen Fass pro Tag zu einem Preis von 53 Dollar angepeilt.
Dabei handelt es sich aber nicht nur um Wirtschaftszahlen: An ihnen misst sich auch der Weg, den Iran gehen wird. Während vor allem Trumps nationaler Wirtschaftsberater John Bolton auf einen »Regimewechsel«, also einen Austausch des derzeitigen Regierungssystems gegen ein anderes, den USA freundlicher gesonneneres, hinarbeitet, ist in Iran selbst der Streit über die politische Richtung der Zukunft, nicht aber über einen Wechsel des Systems, in vollem Gange. Den »Reformern« um Präsident Hassan Ruhani stehen die »Hardliner« gegenüber: Die einen treten für eine Öffnung in Richtung Westen, für Dialog und Gespräche ein.
Die anderen bauen auf die »Politik des Widerstandes«, wie sie in der Zeit vor 2015 von Ajatollah Ali Khamenei propagiert wurde - eine weitgehende Abschottung nach außen, mit dem Ziel, wirtschaftlich möglichst unabhängig von Importen zu werden. Die »Reformer« sind aus westlicher Sicht politisch nicht zwangsläufig »links«. Ruhani würde man wirtschafts- und sozialpolitisch eher rechts ansiedeln, während viele der »Hardliner« eher für einen Sozialstaat mit umfangreichen Leistungen und eine überwiegend staatliche Infrastruktur eintreten.
Dass Ruhani im März den Haushalt trotz Finanznot aufstocken ließ, sollte vor allem Subventionen für lebenswichtige Güter und Industrieimporte ermöglichen und damit auch die öffentliche Kritik an seinem Kurs abblocken - vergeblich, bisher.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.