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Der lange Arm der USA
Lea Fauth befürchtet, dass an Julian Assange ein Exempel statuiert werden soll - um Whistleblower mundtot zu machen
Der Haftbefehl ist raus: Neben den USA will auch Schweden eine Auslieferung des Whistleblowers und Wikileaks-Gründers Julian Assange erwirken. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Vergewaltigung. Die Aufklärung dieses Falls ist begrüßenswert und sollte sich der Vorwurf als begründet herausstellen, muss Assange die Konsequenzen tragen.
Schwedens Umgang mit diesem Fall in den vergangenen Jahren macht allerdings stutzig. Im August 2010, also noch vor den Enthüllungen auf Wikileaks, war bereits gegen Assange ermittelt worden. Das Verfahren wurde aber schnell wieder eingestellt. Damals befand sich Assange noch in Schweden, die Staatsanwaltschaft hatte also direkten Zugriff auf ihn. Erst nach der Veröffentlichung brisanter Aufnahmen über Kriegsverbrechen - unter anderem in Afghanistan und Irak - wurde die Ermittlung gegen Assange wieder aufgenommen. Laut einer Untersuchung der Gerichtsakten und Korrespondenzen durch die italienische Journalistin Stefania Maurizi hat Assange sich dem Prozess aber aus dem Exil aus gestellt und sei bereit gewesen, in der ecuadorianischen Botschaft in London befragt zu werden. Das so begonnene Verfahren sei dann aber eingestellt worden. In den meisten Medienberichten wiederum heißt es, das Verfahren sei nur eingestellt worden, weil die Ermittler nicht auf ihn zugreifen konnten.
Gut möglich, dass schon 2010 genug Indizien für eine Vergewaltigung vorlagen - dann war das Gericht an einer Aufklärung offenbar nicht ernsthaft interessiert. Das allein wäre ein Armutszeugnis für die schwedische Justiz. Dass ein zweifach eingestelltes Verfahren gerade jetzt wieder aufgenommen wird, macht das Verhalten der Staatsanwaltschaft doppelt fragwürdig. Es erweckt den Eindruck, dass es nicht um die Aufklärung des Falls selbst geht, sondern dass die juristische Verfolgung politische Gründe hat. Dieselbe Oberstaatsanwältin, die 2010 noch sagte, der Verdacht auf Vergewaltigung bestehe nicht, will heute das Verfahren wieder aufnehmen.
Auch Ecuador liefert weiterhin Anhaltspunkte dafür, dass es unter Druck der USA handelt. Zuerst warf Präsident Lenin Moreno dem langjährigen Gast »aggressives Verhalten« vor und begründete damit den Rauswurf von Assange. Kurz darauf wurde auch der in Ecuador lebende Schwede und Wikileaks-Mitbegründer Ola Bini verhaftet - was darauf hinweist, dass es eben doch um die politische Verfolgung der Enthüller geht und nicht um Verhalten. So hat die ecuadorianische Botschaft den USA kürzlich auch noch die Unterlagen und persönlichen Gegenstände von Assange zukommen lassen.
Angenommen, Assange hat vergewaltigt - dann muss dieser Fall aufgeklärt werden. Doch auch dann darf der Fall nicht zu einem Rachefeldzug auf politischer Ebene werden - und genau danach sieht es im Moment aus.
Schweden und die USA konkurrieren jetzt um die Auslieferung, heißt es in mehreren Medienberichten. Doch ob nach Schweden oder in die USA - die Auslieferung würde womöglich auf dasselbe hinauslaufen. Dann nämlich, wenn Schweden mit den USA kooperiert, falls diese einen Haftbefehl erlassen. Aktuell drohen Assange in den USA fünf Jahre Haft. Es ist jedoch zu vermuten, dass die US-amerikanische Staatsanwaltschaft dann weitere Anklagen gegen ihn erhebt und der Whistleblower harte Strafen bekommt - er selbst fürchtet die Todesstrafe.
Bei der Verteidigung und Unterstützung von Assange geht es nicht darum, ihn zum Helden zu stilisieren oder eine Vergewaltigung zu rechtfertigen oder zu verharmlosen. Man muss auch nicht seine politischen Ansichten teilen. Worum es hier geht, sind die Grundprinzipien von Demokratie und rechtsstaatlicher Justiz. Die Auslieferung an ein Land, in dem die Todesstrafe gilt, ist untragbar. Auch die Debatte, ob Assange als Journalist gelten kann oder nicht, ist deshalb unangebracht. Dieser Diskurs zielt vor allem darauf ab, ihm keine Chance auf einen geschützten Status zu gewähren. Dass dieser auch für Whistleblower*innen eingeführt wird, ist daher eine gesellschaftliche Notwendigkeit.
Es geht außerdem um den Status der Whistleblower*innen ganz allgemein. Der Spießrutenlauf von Julian Assange wirkt als Einschüchterung auf potenziell weitere Enthüller*innen. Zu oft schon wurde deren Mut juristisch und gesellschaftlich gestraft, viele verloren alles in ihrem Leben. Dabei ist das Anprangern und Öffentlichmachen von Unrecht grundlegend für das Funktionieren einer Gesellschaft.
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