Haushoher Sieg für den Spalter

Premierminister Modi erklärt seine Partei zur Siegerin der Parlamentswahlen in Indien

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Etwa 900 Millionen Wahlberechtigte durften nach Bundesstaaten verteilt über sechs Wochen an die Urnen. Zwei Drittel sollen von diesem Recht Gebrauch gemacht haben. Gezählt wurde aber alles an einem einzigen Tag, dem gestrigen Donnerstag. Und es sieht nach Zählung der Hälfte der Stimmen nach einem sehr eindeutigen Ergebnis aus: Die Bharatiya Janata Party (BJP) von Premierminister Narendra Modi ist die eindeutige Siegerin. Circa 300 der 543 Mandate in der Lok Sabha, dem indischen Parlament, gehen wohl an die BJP.

Verkündet wurde dies zwar nicht von der Wahlbehörde, sondern von Modi selbst, aber nicht einmal vom Hauptkonkurrenten, dem Indischen Nationalkongress (INC), wurde das gestern bezweifelt. Der INC hat wohl sein Allzeittief von der vorigen Wahl 2014 noch einmal unterboten.

Beobachter sehen eine Hauptursache darin, dass es Modi ein weiteres Mal gelungen ist, von brennenden innenpolitischen, sozialen und auch Umweltproblemen Indiens abzulenken, indem er ganz gezielt auf ethnisch-religiöse Spaltung der Gesellschaft baut. So setzt seine Partei bewusst auf Hindunationalismus - die Hindus stellen 80 Prozent der 1,35 Milliarden zählenden indischen Bevölkerung - und in diesem Sinne auf Diskriminierung religiöser Minderheiten, vor allem der 170 Millionen Muslime.

Außerdem versteht es Modi offenbar meisterhaft, öffentliche Stimmungen zu steuern. AFP zitiert als Beleg dessen die indische Journalistin Barkha Dutt. »Modi«, schreibt sie, »will nicht über Jobs und die Wirtschaft sprechen, appelliert stattdessen an den Nationalstolz der Inder und gibt sich als starker Beschützer des Landes«. Der Trick zeige Wirkung: Bauern, die über niedrige Zuckerrohrpreise klagten, sprächen im selben Atemzug stolz davon, wie hoch Indien nun in der Welt angesehen sei.

Modis rhetorisches Geschick hätte aber kaum allein zu diesem Erdrutschsieg geführt, wenn die Konkurrenz nicht so schwach gewesen wäre. Die Linke ist in Indien traditionell zersplittert, was sich beim geltenden Mehrheitswahlrecht verheerend auswirkt. Aber vor allem der INC ist nur noch ein Schatten seiner selbst.

Die Partei der legendären Indira Gandhi erscheint immer mehr als Privatunternehmen des Gandhi-Clans, wobei politische Programmatik kaum noch eine Rolle spielt. Bis zur Erkenntnis dieses Mankos scheint es aber noch weit zu sein. Rahul Gandhi räumte ein, dass er seinen Sitz im lange von seiner Familie gehaltenen Wahlkreis an die BJP verloren hat, will aber Parteichef bleiben.

AFP zitiert Kongressanhänger Rajesh Tiwari nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse mit den Worten: »Wir sind traurig, aber wir werden wieder aufstehen.« Modi habe »wegen seiner Lügen und falschen Versprechen gewonnen«. Das Land sei nun in Gefahr.

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