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Der Globale Süden ist keine Instagram-Kulisse

Was es mit dem White-Savior-Komplex auf sich hat

  • Fabienne Sand
  • Lesedauer: 4 Min.

Sinnsuche, soziales Engagement und Auslandserfahrung: Man könnte meinen, beliebte Anbieter wie »Praktikawelten« und »freiwilligenarbeit.de« haben den Code geknackt, um Millennials zu weltoffenen und emphatischen Mitmenschen zu machen. Für ein kleines Vermögen gibt es eine Woche Aufenthalt in Ländern des globalen Südens. Aus dem Katalog bestellbar, gegliedert in verschiedene Intensitäten, Ansprüche und Budgets: Kinder unterrichten in einer Bergschule in Kathmandu, mit Aidswaisen in den Townships Südafrikas Fußball spielen, Schildkröten in Costa Rica retten. Der Freiwilligendienst bei denen, die es nicht so gut getroffen hat, ist ein großes Geschäft. Aber wer profitiert eigentlich wirklich, wenn weiße Europäer*nnen von dannen ziehen mit dem Anspruch, die Welt zu verbessern?

Die Antwort: Vor allem erst einmal die weißen Westler*innen. Die kriegen ein gutes Gefühl, ein spannenden Lebenslauf und Likes bei Instagram. Der Begriff White Saviorism oder White Savior Complex beschreibt das Phänomen, bei dem weiße Westler*innen in die Welt schwärmen, um etwas Gutes zu tun. »Etwas zurückgeben« ist oft der Claim, »in ein anderes Leben eintauchen«, als hätte der Rest der Welt nur darauf gewartet, dass Hilfe von denen kommt, die es vermeintlich besser wissen. Was bleibt, sind bunte Bildchen Schwarzer Kinder auf gängigen Social Media Outlets und ein fader Beigeschmack.

Das geht schon mit Begriffen wie »Dritte Welt« oder »Entwicklungsland« los. Die Begriffe suggerieren rückschrittliche Standards, ein »schlechteres« Leben, ungute Bedingungen. Alles gemessen an europäischen Gegebenheiten, auferlegt vom strengen Blick des Westens auf den afrikanischen Kontinent, südamerikanische Länder oder die Nationen Südostasiens. Und die Länder des globalen Südens bekommen aus eurozentrischer Sicht vorgehalten, was ein angemessener Entwicklungsschritt sein sollte und was nicht.

Der weiße Rettungsinstinkt erhält den Glauben aufrecht, dass es Weiße braucht, um etwas »bei denen« besser zu machen.

Woran denken wir, wenn wir an Mosambik, Bolivien oder Kambodscha denken? Ist es Hunger, Armut und ein bildungsfernes Aufwachsen oder ist es großstädtisches Treiben, bahnbrechende Naturspektakel und eine glückliche Bevölkerung? Medial transportierte Bilder haben Vorstellungen anderer Länder in unseren Köpfen gefestigt. Sie erzählen Geschichten von Hungersnöten, dramatischen Kriegsszenen und Kinderarmut. Fast ausnahmslos. Bilder einer armen, anderen Welt. Sie drücken auf die Tränendrüsen, halten uns vor, wie gut wir es haben, produzieren das Bild eines heruntergekommenen, ärmlichen nicht-Europas, was ohne die westliche Hand zugrunde geht.

White Saviorism ist mehr als die Abiturientin mit gepacktem Rucksack auf dem Weg zum Abenteuer. Es fängt an mit »Entwicklungshilfe«, die den Erhalt vieler Staaten verhindert und an neokolonialen Strukturen festhält. Es geht weiter beim Nestlé-Konzern, der Ländern im globalen Süden Wasser-Rationierungen auferlegt und mit einem angeblichen »Helfer-Claim« ein Luxusprodukt daraus macht. White Saviorism endet mit dem guten Gefühl im Supermarkt, wenn man sich für den Bohnenkaffee mit dem Foto des äthiopischen Bauern entschieden hat und damit 0,001 Cent spendet. Der weiße Rettungsinstinkt gegenüber nicht-weißen Nationen erhält den Glauben aufrecht, dass es Weiße braucht, um etwas »bei denen« besser zu machen. Er ist das Resultat einer Weltgesellschaft, welche sich auf den Grundsteinen kolonialer Gefüge errichtet hat, und diese bis heute noch aufrechterhält.

1.099 Euro, um vier Wochen Menschen am anderen Ende der Welt zu betreuen.

Auf der Werbung für »Soziale Freiwilligenarbeit mit Kindern« in Südafrika, lachen den Besucher*innen von Praktikawelten drei fröhliche Mädchen entgegen. Für vier Wochen können Interessierte ab 16 Jahren und einem Preis von 1.099,00 Euro junge Menschen am anderen Ende der Welt betreuen. Sprachkenntnisse, Erfahrungen und geistige Reife spielen vorerst keine Rolle. Unterbringung in der Praktikawelten-WG, Inlandrundreise und das gute Gefühl danach, sowie den leeren Geldbeutel gibt es obendrauf. Wenn Bezahlung für zu leistende Arbeitskraft nicht irritiert, dann sollte es zumindest die Tatsache sein, dass hier ungelernte Minderjährige auf Kinder losgelassen werden, deren temporäre Bezugspersonen teilweise wöchentlich wechseln und zusätzlich vielleicht nicht einmal ihre Sprache sprechen.

Im Imagevideo ist die Rede von bedürftigen Kindern, dem Gefühl, gebraucht zu werden und den geplanten Bungee-Jump während der Rundreise im Anschluss an das Projekt. Was Schulen, Betreuer*innen und Organisationen tatsächlich brauchen, ist nicht die zusätzliche ungelernte Hand. Es ist Geld, um eine Vollzeitkraft einzustellen, neue Utensilien anzuschaffen oder sich weiterzuentwickeln. Bevor jemand also plant, mehrere tausend Euro zu investieren, um ein Praktikum zu machen, lohnt es sich eher, die besagte Summe direkt zu spenden. Dorthin, wo das Geld wirklich gebraucht wird.

Dieser Text erschien zuerst bei Supanova, dem leftstylemag.

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