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Contes Machtwort
Italiens Regierungspartner trauen sich nicht, sich zu trennen.
In Italien findet gerade eine Regierungskrise auf Raten statt, von der niemand weiß, wie sie enden wird. Die beiden Parteien, aus denen die Exekutive besteht, sind sich nur darüber einig, dass derzeit keiner gerne den Stecker ziehen will, weil man nicht weiß, wer davon profitieren könnte.
Vor den Europawahlen haben sich Lega und Fünf-Sterne-Bewegung immer weiter voneinander entfernt. Die Lega mit Innenminister Matteo Salvini driftete komplett ins rechtsextreme und katholisch-fundamentalistische Lager ab, während sich die Partei von Arbeitsminister Luigi Di Maio plötzlich wieder daran erinnerte, dass zumindest ein Teil ihrer Basis eher liberale Positionen vertritt. Und auch nach den Wahlen, bei denen es einen klaren Sieger (Lega) und einen klaren Verlierer (Fünf-Sterne-Bewegung) gab, wurde das Klima nicht besser. Die beiden Stellvertreter von Ministerpräsident Giuseppe Conte sprachen nur noch über Pressemitteilungen miteinander - und nicht gerade in freundlichen Worten.
Erst als Regierungschef Conte öffentlich damit drohte, sein Mandat abzugeben, glätteten sich die Wogen zumindest in der Form wieder etwas. Doch die Probleme bleiben alle unverändert bestehen, und die Androhung eines Defizitverfahrens durch die EU hat nur bewirkt, dass die Regierungsparteien jetzt einen gemeinsamen »Feind« haben: Brüssel. Die EU fordert von Italien einen glaubhaften Schuldenabbau, was entweder durch weniger Ausgaben oder mehr Einnahmen zu erreichen ist - aber beides scheint nicht in Sicht. Im Gegenteil: Vor allem die Lega will jetzt um jeden Preis eine drastische Steuersenkung für Unternehmen und den Mittelstand durchsetzen und das möglicherweise durch Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem finanzieren, was die Fünf-Sterne-Bewegung hingegen kategorisch ablehnt. Des Weiteren will die Lega die Kriterien für Ausschreibungen bei öffentlichen Aufträgen deutlich lockern - auch das lehnt der Regierungspartner ab, weil so die organisierte Kriminalität freie Hand hätte.
Um die Belange der Arbeitnehmer kümmern sich aber beide offensichtlich nicht besonders. Immer mehr Unternehmen und Fertigungsstätten wandern ins Ausland ab, vor allem nach Portugal und Osteuropa. Symbolischen Charakter hat dabei das Stahlwerk im süditalienischen Taranto, das auf der einen Seite seit vielen Jahren in einer tiefen Krise steckt, und auf der anderen dafür verantwortlich ist, dass diese Stadt zu denen mit der höchsten Umweltverschmutzung weltweit zählt und dort die Menschen wesentlich höhere Krebsraten und eine niedrigere Lebenserwartung haben als anderswo in Italien. Die Fünf-Sterne-Bewegung war bei den Wahlen unter anderem mit dem Versprechen angetreten, dies endgültig in den Griff zu bekommen und hatten einen Deal mit einer indischen Firma ausgehandelt, bei dem viel Geld in die Modernisierung geflossen wäre. Seit Donnerstag ist aber bekannt, dass auch dieser Versuch endgültig gescheitert ist. Die Fabrik wird wohl schließen, die Arbeiter werden ihre Anstellung verlieren und Taranto bleibt wegen der Hinterlassenschafen weiter im wahrsten Sinne des Wortes lebensgefährlich.
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