- Wirtschaft und Umwelt
- Massentierhaltung
An der Seite der Schlachthelfer
Initiativen fordern dauerhafte Kontrollen in der Fleischindustrie und Schließung von Gesetzeslücken
In deutschen Schlachthöfen arbeiten zu einem großen Teil Beschäftigte mit befristeten Werkverträgen. Die meisten kommen dabei inzwischen aus Osteuropa. Meldungen über massive Verletzungen arbeitsrechtlicher Mindeststandards dringen immer wieder an die Öffentlichkeit. Unterstützergruppen, die Schlachthofarbeitern zur Seite stehen, haben auf Einladung von Kirchen und Gewerkschaft nun erstmals in Schleswig-Holstein zu einem bundesweiten Initiativentreffen zusammengefunden.
Eine Erkenntnis der Konferenz in Elmshorn: Regionale Netzwerke verschiedener Kräfte funktionieren zwar bereits, das größere Netzwerk gilt es aber noch zu knüpfen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler, unterstrich, wie wichtig es sei, Kräfte zu bündeln. Denn Unternehmen wie etwa Tönnies mit Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück agierten länderübergreifend, bedienten sich eines manchmal undurchsichtigen Firmengeflechts und setzten auf Subunternehmen, die oft wechseln und denen man gar nicht so einfach habhaft wird - erst recht nicht, wenn sie ihren Sitz im Ausland haben.
Aus den Vor-Ort-Berichten bei der Konferenz ging hervor: Die größten Probleme der mittlerweile meist in Bulgarien und Rumänien angeworbenen Schlachthelfer sind kompliziert verfasste Arbeitsverträge, unbezahlte Überstunden bzw. strittige Arbeitszeiterfassung, Arbeitshetze, mangelnder Gesundheitsschutz und teils katastrophale und überteuerte Wohnverhältnisse.
Auch wenn einzelne Missstände in den vergangenen Jahren regelmäßig für Schlagzeilen sorgten, ist nur in wenigen Bundesländern die Thematik in der Landespolitik tatsächlich präsent. Zuletzt beschäftigte sich Niedersachsen damit, als Tuberkulose-Fälle bei Schlachthelfern auftraten. Aktuell greift Schleswig-Holstein die Diskussion auf. Dass einiges im Argen liegt, wird aus einem sehr allgemein gehaltenen Bericht der dortigen CDU/Grüne/FDP-Landesregierung auf Anfrage der SPD-Fraktion deutlich. So heißt es darin: »Auch wenn es Betriebe gibt, welche sich an die Standards des Arbeits- und Sozialrechts und an die Selbstverpflichtung halten, ist es unbestreitbar, dass Missstände weiterhin vorhanden sind.« Besagte Selbstverpflichtung wurde 2015 von den sechs größten Unternehmen der Fleischwirtschaft abgegeben, die zusicherten, für bessere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu sorgen.
Laut Bundesagentur für Arbeit gibt es in der Schlachtindustrie 167 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Nach Angaben von Gewerkschaften ist der Anteil an fest angestellten Stammarbeitskräften gering, der der befristeten Werkvertragler dagegen überwiegt. Genauere Zahlen liegen aber nicht vor - für den SPD-Politiker Ernst Dieter Rossmann, der in Elmshorn seinen Wahlkreis hat, ein klares Manko, zumal deutsche Behörden nach seinen Worten sonst »allesmögliche« statisch erfassen.
Für die niedersächsische Grünen-Bundestagsabgeordnete und Rechtsexpertin Katja Keul ist das zentrale Problem, dass es bislang noch keine gesetzgeberische bzw. höchstrichterliche Klarstellung gibt, was eigentlich unter dem Begriff Werkvertrag zu verstehen ist. Ursprünglich war dieses Instrument gedacht für abgeschlossene Arbeitsaufträge etwa zur Anfertigung eines Möbelstückes. Der kontinuierliche Schlachtprozess in einem Betrieb fällt nach Ansicht der Grünenpolitikerin deshalb nicht darunter. Hier agiert eine ganze Branche auf arbeitsrechtlich höchst fragwürdiger Vertragsbasis.
Die seit 2017 in der Fleischindustrie geltende Nachunternehmerhaftung sollte die Arbeitsbedingungen verbessern. Danach müssen Schlachtbetriebe darauf achten, dass ihre Subunternehmer auch Sozialabgaben für die Beschäftigten zahlen. Für Verstöße haften im Zweifel sie. Dieses Mittel kann allerdings nur zum Tragen kommen, wenn Schlachthöfe regelmäßig kontrolliert werden. Hier sehen die Unterstützerinitiativen große Lücken. Am Ende ihres Vernetzungstreffens hieß es, man wolle sich verstärkt dafür einsetzen, dass Behörden ermahnt werden, ihren Kontrollaufgaben nachzukommen, egal ob Zoll, Berufsgenossenschaft oder Gewerbeaufsicht. Zudem sollten Gesetzeslücken bei der Unterbringung von Arbeitskräften beseitigt werden, um beispielsweise Überbelegung von Wohnungen zu verhindern.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.