Neue Enthüllungen über Justizkomplott in Brasilien

Justizminister Moro soll als Richter zu politischen Zwecken Einfluss auf die Staatsanwaltschaft genommen haben

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 3 Min.

Die investigative Online-Zeitung »The Intercept Brasil« hat weitere Chatverläufe zwischen dem damaligen Richter und aktuellen brasilianischen Justizminister Sérgio Moro und Staatsanwalt Deltan Dellagnol veröffentlicht.

In einem Telegram-Chat aus dem Jahr 2017 deutet Staatsanwalt Dellagnol an, bei den als »Lava Jato« bekannt gewordenen Korruptionsermittlungen auch gegen den konservativen Ex-Präsidenten Fernando Henrique Cardoso ermitteln zu wollen, um den Schein der Unabhängigkeit zu wahren. Moro äußert daraufhin Zweifel, jemanden zu schaden, dessen Hilfe wichtig sei. Wie bei den Enthüllungen über einen Komplott gegen Ex-Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva nimmt Richter Moro auch hier direkten Einfluss auf die Staatsanwaltschaft, wie »The Intercept Brasil« berichtet. Das ist laut brasilianischer Verfassung illegal. Vor gut einer Woche hatte »The Intercept Brasil« die ersten Chatverläufe veröffentlicht.

Sie sollen beweisen, dass Moro in illegaler Weise Einfluss auf Ermittlungen genommen hat, um die Arbeiterpartei PT zu diskreditieren, Lula hinter Gitter zu bringen und ihn an einer Kandidatur zur Präsidentschaftswahl zu hindern. Außerdem soll der damalige Richter Moro Staatsanwälten empfohlen haben, eine politische Kampagne gegen den angeklagten populären Ex-Präsidenten zu starten.

Für den US-Journalisten Glenn Greenwald, der maßgeblich an den Recherchen beteiligt ist, bestätigen die Veröffentlichungen die These, dass Moro aus politischen Gründen Einfluss auf die Anklage genommen hat. Linke hatten schon lange Zweifel am Saubermann-Image von Moro gehegt. Als Richter wurde er zum Held der konservativen Mittel- und Oberschicht, da er etliche Politiker*innen hinter Gitter brachte – vor allem linke. Im Juli 2017 verurteilte Moro Ex-Präsident Lula zu neuneinhalb Jahren Haft. Sein Urteil stützte er auf Kronzeugenaussagen, harte Beweise gegen Lula wurden nie präsentiert.

Nicht wenige sprachen von einem »politischen Prozess«. Als Moro durch Präsident Jair Bolsonaro zum Justizminister ernannt wurde, war für viele Linke der Coup gegen die Arbeiterpartei perfekt. Beweise einer politischen Motivation gab es jedoch nicht – bis zu den Enthüllungen von »The Intercept Brasil« vergangene Woche. Und es könnte noch schlimmer kommen für Moro: Greenwald kündigte weiteres »explosives Material« in nächster Zeit an.

Am Mittwoch musste der Justizminister in einer neunstündigen Senats-Anhörung Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Dort bezeichnete Moro die Recherchen 49 Mal als »Sensationalismus«, zweifelte die Authentizität der Chatverläufe an und sprach von einem Angriff einer »kriminellen Vereinigung« auf seine Daten. Trotz dieser verbalen Attacken wenden sich immer mehr ehemalige Unterstützer*innen von Moro ab und die Rücktrittsforderungen werden lauter.

Seit den Enthüllungen werden Greenwald und sein Mann David Miranda, Politiker der linken Partei PSOL, mit Morddrohungen und Fake News überschüttet. Auch die Söhne von Präsidenten Bolsonaro beteiligten sich an der Hetze.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.