Mundwinkel krampfhaft nach oben

Sachsens SPD hofft, bei der Landtagswahl für fünf Jahre Mitregieren belohnt zu werden - trotz des Bundestrends

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Wozu braucht es die SPD? Die Frage treibt auch Martin Dulig um, immerhin Landeschef der Partei in Sachsen. Vor vier Wochen hat die SPD bei der Europawahl bundesweit eine Pleite erlitten und danach wieder einmal eine Vorsitzende eingebüßt. Das Problem der Partei liegt aber sehr viel tiefer. Diese »braucht eine neue Bedeutung«, sagt Dulig: »Wir geben zu viele Antworten auf Fragen, die nicht mehr gestellt werden.«

Die Lage weckt Besorgnis bei vielen engagierten Genossen; solche wie Dulig, die einen Wahlkampf vor der Brust haben, nennen sie dramatisch. Am 1. September wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt; die Aussichten für die SPD sind nicht eben erhebend. 2014 waren sie auf 12,4 Prozent gekommen, was angesichts vorangegangener Resultate von 9,8 sowie 10,4 Prozent als Auferstehung aus dem »Tal der Tränen« gedeutet worden war. Jetzt indes droht die Rückkehr dorthin. In Umfragen fiel sie zuletzt bis auf sieben Prozent. Bei der Europawahl im Mai standen 8,6 Prozent zu Buche. Das Fatale: Üblicherweise liegen die Zahlen für die SPD bei sächsischen Landtagswahlen noch unter denen für Europa.

Dulig, der die Partei zum zweiten Mal als Spitzenkandidat führt, kann das Rennen schlecht schon verloren geben - und wischt die mageren Zahlen vom Mai vom Tisch: »Vergleiche mit vergangenen Wahlen hinken. Jetzt geht es um Sachsen.« Dort hat die Partei in den zurückliegenden fünf Jahren mit der CDU regiert und hofft, auch ohne Rückenwind vom Bund eine Dividende dafür kassieren zu können - anders als 2009, als sie nach einer ersten Koalition ein paar Zehntel dazugewann, aber am Kabinettstisch von der FDP abgelöst wurde. Die schwarz-gelbe Regierung setzte anschließend ein vom milliardenteuren Debakel der Landesbank ausgelöstes weitreichendes Sparprogramm durch. Das Ruder wieder herumgerissen zu haben, hält sich die SPD zugute. So seien seit dem Reg

ierungseintritt 5000 Lehrerstellen geschaffen worden, heißt es in dem Wahlprogramm für den Herbst, das an diesem Samstag auf einem Parteitag in Neukieritzsch beschlossen werden soll. Noch 2014, wird in Richtung des Koalitionspartners angemerkt, habe die CDU dagegen Lehrerstellen streichen wollen. Auch in den Kitas und bei der Polizei gebe es heute mehr Stellen.

Abzuwarten ist, ob die Wähler der SPD eher solche Erfolge zugute halten - oder ihr anlasten, was sie gegen die CDU nicht durchsetzen konnte. Bei Gewerkschaften herrscht Enttäuschung darüber, dass es noch kein Vergabegesetz gibt, das öffentliche Aufträge an Tariflöhne bindet. Bürgerrechtsinitiativen nehmen der SPD übel, dass die an einer Verschärfung des Polizeigesetzes mitgewirkt hat. Mit der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte blitzte sie bei ihrem Koalitionspartner ab.

Die steht nun wieder im Wahlprogramm, neben Forderungen längerem gemeinsamen Lernens, der Einführung eines Mietendeckels für Leipzig und Dresden und der schrittweisen Abschaffung der Kitagebühren. Daneben will sie durchsetzen, dass der zuletzt verbesserte Betreuungsschlüssel in Kitas von zwölf Kindern je Erzieherin, der zu einem Mehrbedarf von 2800 neuen Stellen führte, auch in der Realität greift, sagt Sabine Friedel, Mitautorin des Programms. Bisher ist die Relation durch Krankheit, Weiterbildung und Urlaub ungünstiger. Dafür würden weitere 6000 Stellen nötig.

Allerdings bietet, so Dulig, auch ein gutes Programm »keine Gewähr gewählt zu werden«. Zugleich setzten Wähler auch kein Kreuz bei seiner Partei, nur weil sie ein Erstarken oder gar eine Regierungsbeteiligung der AfD verhindern wollen. Er sei überzeugt, dass Menschen »nicht aus taktischen Gründen oder aus Angst vor der AfD die SPD wählen«. Sie müssten überzeugt sein, »dass wir es wirklich wollen und können«. Mit dem Ziel soll in den nächsten 73 Tagen »Wahlkampf mit den Mundwinkeln nach oben« geführt werden. Und jenen, bei denen das Lachen angesichts der Umfragezahlen verkrampft ausfällt, gibt Dulig eine Botschaft zur Ermutigung mit: 2014 war die SPD mit 12,4 Prozent auch kein Riese. Trotzdem habe sie »einen sehr guten Koalitionsvertrag« ausgehandelt. Derzeit sieht es so aus, als würde sie im Herbst erneut für die Regierungsbildung gebraucht. Vorausgesetzt, es steht am Ende mindestens eine Fünf vor dem Komma.

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