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- SYRIZA in Griechenland
Nicht erfolgreich, aber nicht abgestraft
Wer über die Niederlage von SYRIZA reden will, kann über die Unfähigkeit der europäischen Linken nicht schweigen, findet Tom Strohschneider
In Griechenland ist eine Epoche zu Ende gegangen - und für die gesellschaftliche Linke heißt es nun: nachdenken. Was im Januar 2015 mit großen Hoffnungen, wohl auch zu großen Erwartungen begann, sollte ein paar Lehren für künftige Versuche bereithalten, progressive Politik unter Bedingungen zu machen, in der es zu viele Leute gibt, die das ganz unverhohlen verhindern wollen.
»Der bisherige Premier Tsipras und seine linke SYRIZA-Partei werden für ihre Sparpolitik abgestraft«, so eine Meldung in der Wahlnacht. Es verhält sich hier wie mit der sehr deutschen Formulierung aus den Zeiten der Krisenkredite, »wir hätten den Griechen doch schon genug geholfen« - drei Lügen in einem Satz. Weder waren es »wir«, noch wurde »den Griechen« und schon gar nicht »geholfen«. Es wurden Banken gerettet und ein europäisches Krisenregime erbittert verteidigt, für das es wenige vernünftige aber umso mehr ideologische Gründe gab.
Dass SYRIZA nun »abgestraft« worden sei für etwas, das als »ihre Sparpolitik« bezeichnet wird, setzt dieses Denken fort. Erstens waren der linksgeführten Regierung von Anbeginn an von den Gläubigern härteste Fesseln auferlegt worden, und dies im Wissen darum, welche katastrophalen sozialen und ökonomischen Folgen die Auflagen hatten. Dass man ein verschuldetes Land nicht aus der Krise führen kann, wenn man es zwingt, immer neues Geld aufzunehmen, um alte Kredite zu bezahlen, ihm aber per Auflagenpolitik gleichzeitig viele Hebel aus der Hand schlägt, um etwa unter ökologischen oder gerechtigkeitspolitischen Vorzeichen die Ökonomie wieder ins Laufen zu bringen, ist oft gesagt worden.
Wer über die Niederlage von SYRIZA reden will, kann über die Unfähigkeit der europäischen Linken nicht schweigen, ein wirksames Gegengewicht zur Gläubigerfront zu bilden. Vor allem im »Herzen der Bestie der Austerität«, im politischen Berlin, ist das nicht gelungen. Angesprochen fühlen dürfen sich hier zuallererst SPD, Linkspartei aber auch Gewerkschaften.
Worüber man streiten kann und muss ist, ob Tsipras und seine GenossInnen den verbliebenen Spielraum gut genutzt haben. Und hier sind wir bei zweitens: Wurde SYRIZA »abgestraft«? Die Linkspartei hat im Januar 2015 mit gut 36 Prozent die Wahl gewonnen, sie hat nach dem Referendum in Neuwahlen abermals gut 35 Prozent geholt - und das, obwohl Tsipras einen Kurs einschlug, der dem »OXI« der Bevölkerung eigentlich entgegenstand. Am Sonntag stimmten nun wieder mehr als 31 Prozent für SYRIZA. Ein beträchtlicher Teil der GriechInnen hat Tsipras also auch nach Jahren seiner Politik, seines Umgangs mit der Krise, seiner Versuche, einen Neuanfang für das Land zu stiften, unterstützt. Wer über SYRIZA nun den Stab brechen möchte, sollte das im Hinterkopf behalten.
Das heißt nicht, dass die griechische Linkspartei von kritischen Fragen befreit wäre - im Gegenteil. Sowohl was den Umgang mit innerparteilichen Kontroversen über die Richtung der Abfederung der Krisenpolitik als auch was die Frage angeht, ob gegenüber den Gläubigern nicht an dieser oder jener Stelle mehr zu holen gewesen wäre als auch mit Blick auf die Schwerpunkte, die man in sozialer und wirtschaftspolitischer Sicht gesetzt hat, wäre es nun wichtig, selbstkritisch zu evaluieren. Das heißt auch, sich keine Illusionen über die real existierende EU und ihre von den aktuellen Kräfteverhältnissen formulierten Regeln zu machen - aber genauso kritisch zu bleiben gegenüber den einfach klingenden Versprechungen, das Paradies liege jenseits von EU und Euro.
Mehr ins Zentrum der Diskussion sollte nun rücken, wie man alternative Entwicklungspfade in einzelnen Ländern europäisch synchronisieren kann, denn daran krankte ja auch die Wiederaufbau-Politik von SYRIZA: dass sie nicht in eine europäische Wirtschaftspolitik eingebettet war, die diesen alternativen Zielen entsprochen hätte. Ebenso die Rolle, die gesellschaftspolitische Reformen in Griechenland hätte spielen müssen, also der Aufbau von so etwas wie einem funktionierenden Staat, stellt der Linken ein paar Hausaufgaben. Und damit ist der Zettel noch längst nicht voll.
Wie tief oder eben nicht die Spuren sind, die SYRIZA in den viereinhalb Jahren dann doch hinterlassen konnte, wird sich in Zukunft noch deutlicher zeigen - im Vergleich nämlich zu jener Politik, über die jetzt die Lobbyverbände der Unternehmen bereits frohlocken.
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