- Kommentare
- Wolffs Müllabfuhr
Nicht rechts, nur AfD
Tim Wolff über Springerverlagsliebling Friedrich Merz
Der Mittelstandsmillionär Friedrich Merz hat eine erstaunlich peinliche Karriere als Politiker vorzuweisen. Trotzdem ist dieser Versager ein Medienliebling. Vor allem der Springer-Verlag protegiert ihn - vermutlich weil mit ihm als CDU- und Kanzleramtsverwalter noch besser auf Springer zugeschnittene Gesetze möglich wären. Denn ohne diese hätte der deutscheste aller Verlage Probleme, auf dem freien Markt zu bestehen, den er so herzhaft propagiert.
Jetzt darf Merz regelmäßig in der »Welt am Sonntag« meinen - und zwar den Konsens der Meinungsmacht, aber natürlich auch bei ihm präsentiert als Aufbegehren: »Kürzlich habe ich in einem Interview darauf hingewiesen, dass CDU und CSU immer mehr Wählerstimmen aus Polizei und Bundeswehr an die AfD verlieren. Die Reaktionen darauf waren aufschlussreich. Die Minister des Innern und der Verteidigung haben meine Aussage pflichtgemäß scharf kritisiert.« Ja, Horst Seehofer und Ursula von der Leyen haben ihre Pflicht getan gegenüber der linksgrünen Diktatur, die den Markenkern der Union zerstört.
Aber der Merz beugt sich nicht so leicht: »Aus dem schlichten Befund einer Wählerwanderung« sei »ein ›Rechtsruck‹« gemacht worden. »Angesichts der Reaktionen, die mich aus Polizei und Bundeswehr erreichen, habe ich die Dimension des Themas eher unterschätzt. Nein, nicht des ›Rechtsrucks‹, einen solchen unterstelle ich den Streitkräften und der Polizei in Bund und Ländern ausdrücklich nicht. Aber ich stelle fest, dass sich dort immer mehr Beamte der AfD zuwenden (…)« Noch mal langsam, damit keine Missverständnisse aufkommen: Merz unterstellt ausdrücklich keinen Rechtsruck. Er stellt nur fest, dass sich Beamte der AfD zuwenden. Das ist ein Unterschied! Also, ganz bestimmt. Deswegen merken: Nicht rechts, nur AfD - bitte alle mal abregen!
Weswegen tun die armen, von immer neuen Gesetzen mit weitreichenderen Befugnissen gebeutelten Polizisten so etwas? »Weil sie nicht mehr den Eindruck haben, dass ihnen der Staat ausreichend Rückendeckung gibt, um ihren Auftrag zu erfüllen.« Denn es gebe eine »schleichende Erosion unseres Rechtsstaates, die auf vielen Ebenen seit Langem erkennbar ist«. Eine solide These wider offizielle Statistiken, die nichts mit rechts oder AfD gemein hat. Und Merz hat Beispiele parat: »Soldaten, die im Einsatz unzureichend ausgerüstet sind.« Nein, dieser Rechtsstaat! Erodiert unsere Schießeisen. »Oder Polizisten, die immer dieselben Drogendealer festnehmen und dann wieder laufen lassen müssen, weil sich Strafverfahren hinziehen.« Ein Elend. Im richtigen Rechtsstaat hätten Soldaten die Ausrüstung, um Strafverfahren gegen Drogendealer zu beschleunigen.
Aber Friedrich Merz ist kein Sauerland-Bolsonaro, sondern will nur »vor dieser Entwicklung nicht die Augen verschließen«, denn er hat belegt, dass »die Hinwendung zur AfD in Polizei und Bundeswehr (...) überwiegend ein Akt der Verzweiflung von Staatsdienern (ist), die sich im Stich gelassen fühlen und deshalb auf die einfachen Antworten einer selbst ernannten Alternative setzen«. Er hält also Polizisten und Soldaten schlicht für zu dumm, komplexe Probleme zu erfassen und zu lösen.
Was aber kein Vorwurf ist: »Man löst dieses Problem (...) nicht durch Kritik an den Wählern.« Sondern man löst es wie ein guter Deutscher: indem man Gemeinsamkeiten mit Nazis sucht, zum Beispiel die Mär vom versagenden Rechtsstaat (vor allem bei Kriminalität, die hauptsächlich von Ihrwisstschonwem begangen wird), und verständnisvoll herumdifferenziert und abwimmelt, wenn auch nur die Ahnung auftaucht, dass das jemand rechts nennen könnte.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!