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Evo Morales liegt auf Siegeskurs
Boliviens uneinige Opposition kann dem Amtsinhaber bei den Präsidentschaftswahlen kaum gefährlich werden
Bis zum 21. Oktober ist noch eine Weile hin. Dann stehen in Bolivien Präsidentschaftswahlen an. Der Wahlkampf kommt schleppend auf Touren. Die Opposition nörgelt am Umstand herum, dass sich Evo Morales wiederwählen lassen will, obwohl in einem Referendum eine dritte Kandidatur abgelehnt wurde. Die Regierung ihrerseits bezichtigt die Opposition, »Kandidaten der Vergangenheit zu sein«.
Seit dem Referendum von 2016 versuchen Bürgerkomitees im ganzen Land, eine Volksbewegung gegen die Wiederwahl zu organisieren. Bisher ohne großen Erfolg. Denn trotz des weitverbreiteten Unbehagens innerhalb der Bevölkerung über die erneute Kandidatur von Evo Morales ist eine breite Front der Ablehnung bisher nicht zustande gekommen. Das liegt auch daran, dass Teile der sozialen und indigenen Bewegungen der Regierung zwar kritisch gegenüberstehen, sich allerdings in keinem Kandidaten der Opposition wiederfinden.
Im vergangenen Dezember hatte der oberste Wahlausschuss des Andenstaats endgültig die Kandidatur von Evo Morales und seinem Vize Álvaro García Linera zugelassen. Mit ihnen wurden acht weitere Gespanne, Präsident und Vizepräsident, für die Wahlen im kommenden Oktober akkreditiert. Darunter mit Carlos Mesa der aussichtsreichste Gegenspieler von Evo Morales. Er stammt aus der weißen Mittel- und Oberschicht des Landes. Unter Gonzalo Sánchez de Lozado war er von 2002 bis 2003 Vizepräsident und nach dem Krieg ums Erdgas 2003 und der Flucht von Sánchez de Lozado Interimspräsident bis 2005. Seine Beziehung zu den sozialen Bewegungen gestalten sich wegen seiner Herkunft und der politischen Vorgeschichte schwierig. Zudem hat er sich für viele disqualifiziert, weil er vergangenes Jahr forderte, die von der Bewegung zum Sozialismus (MAS) eingeführten Sozialleistungen, wie das Schulgeld oder die Rente der Würde, abzuschaffen.
Inzwischen ist Mesa von der Idee abgerückt und hat stattdessen angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs die Korruption in der Polizei bekämpfen zu wollen, die jüngst durch einen Drogenskandal erschüttert wurde. Die Wirtschaft will er stärker öffnen.
Ob er damit punkten kann, ist fraglich, denn die Morales-Administration betreibt seit zehn Jahren erfolgreich die wirtschaftliche Öffnung, fördert den Export von Landwirtschaftsprodukten, die Industrialisierung des Lithiums und die Verbesserung der Infrastruktur. Die liberale Wirtschaftspolitik kommt bei den Unternehmen gut an und hat zu einer zehnjährigen Boomphase geführt. Carlos Mesa moniert, es gäbe Defizite bei der Investitionssicherheit. Aber auch hier kann die Regierung eine positive Bilanz vorweisen. Zuletzt hat Deutschland eine Beteiligung in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar an der Entwicklung der Lithiumindustrie angekündigt; auch China will sich an der Kommerzialisierung des Lithiums beteiligen. In einer jüngst von der Tageszeitung »La Rázon« veröffentlichten Umfrage unter dem Titel »Das Gute und das Schlechte von Evo« gaben die Bolivianer*innen an, dass sie das wirtschaftliche Wachstum und die Verbesserung der Infrastruktur dem Präsidenten zu Gute schreiben. Als wichtigster Negativpunkt sehen die Wähler*innen sein Bestehen auf eine erneute Wiederwahl, mit dem Morales das Referendum von 2016 ignoriert.
Auch hat es die bürgerliche Opposition bisher nicht vermocht, sich auf den aussichtsreichsten Kandidaten Carlos Mesa zu einigen. Bei einem Treffen aller Oppositionskandidat*innen und den Bürgerkomitees konnten sich die Versammelten lediglich auf die Forderung einigen, dass das Präsidium des obersten Wahltribunals zurücktreten solle. Auf einen gemeinsamen Kandidaten konnten sie sich nicht einigen. So bleibt die Opposition mit sieben Kandidaten gegen Morales zersplittert.
Die meisten Umfragen sehen Evo Morales weit vor Carlos Mesa. Laut einer Umfrage der Tageszeitung »Página Siete« glauben 52 Prozent, dass Evo Morales siegt, nur 23 Prozent glauben an einen Sieg von Carlos Mesa. Die Befragung der Tageszeitung »La Rázon« ergibt eine Zustimmung für Evo Morales von 49 Prozent gegenüber einer Ablehnung von 43 Prozent. Es kann gut sein, dass der aktuelle Präsident auch der neue Regierungschef wird. Wenn die MAS auch die Präsidentschaftswahlen vermutlich gewinnt, so wird sie wahrscheinlich die Mehrheit in den beiden Parlamentskammern verlieren. Und damit wird ein Durchregieren wie jetzt, wenn die MAS die Mehrheit im Parlament und im Senat besitzt, nicht mehr möglich sein.
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