Crewmitglieder schwerer zu finden

Repressionen gegen NGOs auf dem Mittelmeer wirken sich auf Freiwilligensuche aus

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Die zunehmende Repression gegen Crewmitglieder der NGO-Schiffe in der Seenotrettung macht sich in der Freiwilligensuche für neue Missionen bemerkbar. Für einige der Nichtregierungsorganisationen ist es schwieriger geworden, qualifizierte Helfer*innen zu finden.

So etwa für Sea-Watch, deren Kapitänin Carola Rackete Ende Juni vorübergehend von italienischen Behörden festgenommen worden war und gegen die Ermittlungen laufen. »Leute überlegen sich das nun sehr genau. Und unsere Missionen sind viel schlechter planbar geworden. Vorher war es klar, dass man zwei oder drei Wochen weg ist und dann wieder arbeiten kann. Jetzt weiß man nicht, wie lange man unterwegs ist. Das ist für alle schwierig mit einem Job, in dem sie Urlaub nehmen müssen«, sagt Ruben Neugebauer, Pressesprecher von Sea-Watch. Gerade im nautischen Bereich, was etwa Kapitän*innen, also erfahrene Leute, angeht, mache sich das bemerkbar, berichtet er.

Somit spielen nicht nur die Ermittlungen gegen Carola Rackete und ihre Kollegin Pia Klemp von Jugend Rettet eine Rolle, sondern vor allem die teils tagelangen politischen Diskussionen, in welchen Hafen ein Schiff mit aus Seenot Geretteten einlaufen darf. Momentan sucht Sea-Watch für dieses Jahr noch Kapitän*innen, Mechaniker*innen und andere Mithelfende.

Auch für die NGO Mission Lifeline ist es schwieriger geworden, Profis für zukünftige Rettungsaktionen zu finden. Ihr Kapitän Claus-Peter Reisch hat gerade Revision gegen eine Geldstrafe von 10 000 Euro eingelegt, zu der er auf Malta verurteilt worden ist.

»Durch die Verhaftung von Carola Rackete sind ein Kapitän und ein Maschinist abgesprungen. Es gibt von allem genug, außer diesen beiden Bereichen«, sagt Axel Steier, Mitbegründer und Sprecher der Hilfsorganisation. Für ihre neue Rettungsmission, die im August beginnen soll, habe die NGO nun einen Kapitän für viel Geld angeheuert, berichtet Steier. Das sei jedoch nicht nur die Folge von Repressionen, sondern habe damit zu tun, dass das neue Schiff ein Berufsschiff ist. Um dieses zu steuern, sei eine höhere Qualifikation nötig als bei den bisher benutzten Privatschiffen.

Bei anderen Jobs, etwa Übersetzer*innen und denjenigen, die die Schlauchboote fahren, gebe es nach wie vor ein Überangebot. Der Mission Lifeline-Sprecher erklärt das so: »Die Repression betrifft bisher nur die Kapitäne.«

Bei Sea-Eye, der NGO, die mit ihrem Schiff »Alan Kurdi« in den letzten Monaten mehrmals nach dem Retten von Geflüchteten tagelang auf dem Meer ausharren musste, weil die italienischen Behörden ihr das Anlegen verwehrten, wirkt sich das Vorgehen Italiens bisher nicht auf das Finden von Crewmitgliedern aus.

»Die Leute, die Interesse haben, bei Rettungsaktionen teilzunehmen, ließen und lassen sich auch jetzt nicht von politischen Drangsalierungen beeinflussen, sondern sie sehen nach wie vor die Notwendigkeit. Sogar eher als Anfang des Jahres«, sagt Jan Ribbeck, Crewmanager und Vorstandsmitglied von Sea-Eye. Doch »Nachfragen, wie eine Mission abläuft, welche Szenarien auf einen zukommen, sind häufiger geworden. Etwa wo fahren wir hin, was kann passieren«, erzählt er.

Auf ihrer Homepage weist Sea-Eye für interessierte Freiwillige darauf hin, dass sich das Missionsende verzögern könne, da die »Alan Kurdi« in der Vergangenheit immer wieder daran gehindert worden sei, gerettete Menschen in einen sicheren Hafen zu bringen. Flexibilität sei daher von Vorteil.

Auch Sea-Eye sucht gerade Kapitän*innen sowie Einsatzleiter*innen für eine neue Mission der »Alan Kurdi«, die am 20. Juli von Palma de Mallorca aus Richtung libysche Küste starten soll.

Unverändert bei allen drei Seenotrettungsorganisationen sind die eingehenden Spenden, sagen ihre jeweiligen Sprecher. Weder seien sie bedeutend zurückgegangen, noch angestiegen.

Die zusätzlich gesammelten eine Million Euro aus einer Spendenaktion der TV-Moderatoren Jan Böhmermann und Klaas-Heufer Umlauf für Sea-Watch sollen in einen Fonds für Seenotrettung gehen. So sollen mehrere Projekte davon profitieren.

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