Verfall statt Wohnraum

Eine Radtour führt zu Spekulationsruinen in Steglitz-Zehlendorf

  • Bosse Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer an Gegenden mit wohnungs- und sozialpolitischen Problemen denkt, dem kommt Steglitz-Zehlendorf nicht unbedingt als Erstes in den Sinn. Doch auch in dem eher bürgerlich geprägten Bezirk ist die Wohnsituation vieler Mieter*innen alles andere als gesichert. Auch hier mangelt es an günstigem Wohnraum. Ein Teil des Problems: langjähriger Leerstand. Die Linksfraktion in Steglitz-Zehlendorf startete am Mittwochabend daher eine etwas andere Stadtrundfahrt und suchte auf einer Radtour Spekulationsruinen auf.

Vor dem ehemaligen Schwesternwohnheim in der Waltraudstraße 45 haben sich am frühen Abend etwa 35 Leute eingefunden. Barbara Boroviczeny von der Mieter*inneninitiative Süd/West fasst die Verfallsgeschichte des Gebäudes zusammen: Nach einem Brand 2016 seien die Mieter*innen zunehmend unter Druck gesetzt worden, auszuziehen. Mittlerweile würden nur noch zehn Menschen in dem Gebäude wohnen, das 72 Einraumwohnungen beherbergt. Das Gebäude sei nicht marode, durch die Untätigkeit des Eigentümers sei jedoch ein Sanierungsstau entstanden, der einen Abriss des Hauses wirtschaftlicher mache als eine Instandsetzung.

»Die Situation im Haus und dieser Druck auf die Mieter, das macht krank«, sagt Boroviczeny. Das bestätigt auch Teresia Demel, die seit 1969 in dem Gebäude wohnt. Zwischenzeitlich seien Strom und Wasser ausgefallen. Der Zustand des Hauses verschlechtere sich zusehends. »Die machen hier ja nichts mehr«, ärgert sich die Seniorin. Dem Eigentümer, Stephan Allner, schwebt vermutlich anderes für das Grundstück vor. Ganz in der Nähe hat er bereits teure Neubauten errichten lassen.

Kurze Zeit später geht es weiter in die Schmarjestraße 14, wo eine Villa seit 2012 ungenutzt vor sich hinrottet. Das Gebäude gehörte einem kinderlosen Ehepaar, das das Haus 1985 dem Bezirk mit der Auflage übertrug, ein Altenheim daraus zu machen. Eine Auflage, die schon zu Lebzeiten des Ehepaars aus baurechtlichen Gründen nicht umgesetzt werden konnte. Kurz vor ihrem Tod unterschrieb die Witwe deshalb einen Mietvertrag für einen Kindergarten, der das Gebäude jedoch 2012 verlassen musste, weil der Mietvertrag nach Streitigkeiten mit dem Bezirk nicht verlängert worden war. Seitdem steht das Gebäude leer. Für Franziska Brychcy, die für die LINKE im Abgeordnetenhaus sitzt, ein unhaltbarer Zustand. »Die sozialen Träger im Kiez suchen händeringend nach Räumen und dieses Haus verkommt«, kritisiert die Politikerin.

Das nächste Ziel ist ein Bürokomplex am Dahlemer Dreieck. Einst war hier das Bundesamt für Risikobewertung angesiedelt, doch seit zehn Jahren stehen die Gebäude leer. Da sie von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verwaltet werden, liegt die Verantwortung beim Bund. 2015 wurde der Komplex kurzzeitig als Unterkunft für Geflüchtete genutzt. »Der Standort wäre für die Weiternutzung als Unterkunft ideal«, meint Brychcy. »Alternativ könnte man auch Studierendenwohnungen einrichten. Alles wäre besser als Leerstand.«

Das Hotel Unter den Eichen 96 ist die vorletzte Station an diesem Abend. Seit drei Jahren ist das Gebäude bereits verwaist, obwohl es erst 2011 grundsaniert wurde. Das wird sich in nächster Zeit auch nicht ändern, glaubt Dennis Egginger-Gonzalez von der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Da es sich hierbei um Gewerbeflächen handelt, greife das Zweckentfremdungsverbot nicht. Zusätzlich habe der Eigentümer Handlungsbereitschaft signalisiert. Der wolle in dem Gebäude möblierte Studierendenappartements einrichten, die es ihm ermöglichen, die Mietpreisbremse zu umgehen und dadurch eine höhere Rendite zu erzielen. »Das können sich nur Kinder reicher Eltern leisten«, so Egginger-Gonzalez. Bisher habe der Eigentümer jedoch weder bauliche Maßnahmen ergriffen noch die entsprechenden Anträge gestellt.

Die letzte Station der Reise hat erst vor Kurzem für Schlagzeilen gesorgt. Im Gardeschützenweg 2-3 steht das erste Haus in Berlin, das im Rahmen des Zweckentfremdungsgesetzes vom Bezirk an eine Treuhandgesellschaft übergeben, saniert und anschließend an den Eigentümer zurückgegeben werden soll. Für die Teilnehmer*innen der Radtour kommt das viel zu spät: »Seit Jahren werden alle sozialen und wohnungspolitischen Anträge von Schwarz-Grün abgeschmettert«, resümiert Boroviczeny. Diese »deprimierende Mehrheit« in der BVV mache ein Vorankommen im Bezirk nahezu unmöglich.

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