Waffenhersteller unter Druck

Heckler&Koch kämpft mit einem Schuldendesaster /Firmenkritiker empfiehlt Vorstand nicht zu entlasten

  • Wolf von Dewitz
  • Lesedauer: 4 Min.

Rottweil. Es sind stürmische Zeiten für Heckler & Koch. Der Schuldenberg des schwäbischen Waffenherstellers ist gewachsen, die Produktionsabläufe sind verbesserungsbedürftig und die Geschäfte verlustreich - so ist es im Konzernabschluss zu lesen, dessen Inhalt bei der Hauptversammlung der Firma am Freitag in Rottweil thematisiert werden wird. In dem Papier ist unter bestimmten Umständen sogar von einer »Bestandsgefährdung« die Rede. Zugleich geben sich die Firmenchefs aber optimistisch: Die Lage werde sich verbessern. »Der H&K AG Konzern ist mit einem hochinnovativen Produktportfolio bestens für die Zukunft aufgestellt«, schreiben sie.

Die Hauptversammlung des Traditionsunternehmens ist eine skurrile Angelegenheit. Vor einigen Jahren strebte die Firma an die Börse. Man erfüllte eine Mindestanforderung des Pariser Handelsplatzes und gab 2015 einen winzigen Anteil von 0,03 Prozent der Stimmrechte aus. Dabei blieb es, weil das Vorhaben eines großen Börsengangs abgebrochen wurde. Wenige Tausend Aktien waren aber schon verkauft - die konnte man nicht zurückholen. Zugegriffen hatten auch einige Friedensaktivisten - als Kleinaktionäre wollten sie dem Firmenvorstand einmal im Jahr auf der Hauptversammlung die Leviten lesen. Und das tun sie seither.

Unter den Firmenkritikern ist Jürgen Grässlin, der Pazifist schrieb Bücher wie »Netzwerk des Todes: Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden«. Der heute 61-Jährige brachte mit einer Strafanzeige gegen Heckler & Koch ein Verfahren mit ins Rollen, das in diesem Februar seinen Abschluss fand. Es ging um Exporte von Sturmgewehren nach Mexiko, wo sie in Unruheprovinzen landeten - das hätte nicht geschehen dürfen. Zwei Ex-Mitarbeiter wurden deswegen vom Stuttgarter Landgericht zu Bewährungsstrafen verurteilt wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Waffen beziehungsweise wegen Beihilfe dazu.

Die Firma selbst, die als sogenannte Nebenbeteiligte herangezogen worden war, wurde zur Zahlung von 3,7 Millionen Euro verurteilt. Ein letztes Wort hat hierbei der Bundesgerichtshof: Die Firma, die Verurteilten und sogar die Staatsanwaltschaft legten Revision ein.

Auf 221 Millionen Euro Umsatz kam Heckler & Koch laut Konzernabschluss 2018 (2017: 182 Millionen). Der Verlust lag bei 8 Millionen Euro, ein Jahr zuvor waren es noch 13 Millionen Euro Miese gewesen. Bedrohliche Ausmaße nimmt der Schuldenberg an - die Finanzverbindlichkeiten wuchsen binnen eines Jahres von 182 auf 231 Millionen Euro. Der Firmenkritiker Grässlin spricht von einem »Schuldendesaster«. Er will einen Antrag auf Nichtentlastung des Vorstandes einbringen - und dürfte damit völlig chancenlos sein.

Es sprang ein namentlich nicht genannter Hauptaktionär ein und half mit zwei Krediten über insgesamt 80 Millionen Euro aus. Firmenchef Jens Bodo Koch und Finanzvorstand Björn Krönert schreiben in dem Konzernabschluss zwar, dass sie eine »deutliche Erhöhung in der Gesamtleistung, eine Verbesserung der Eigenkapitalposition und eine Reduzierung der Verschuldung« erwarteten. Aber: Sollten sich die Liquidität und die Produktionsprozesse nicht wie geplant verbessern und sollten dann externe Finanzquellen nicht aufgetan werden können, »besteht ein bestandsgefährdendes Risiko«, heißt es in dem Bericht.

Dass die Lage bei der Traditionsfirma angespannt ist, verdeutlicht auch ein bemerkenswerter Schritt der Arbeitnehmerseite: Mit knapper Mehrheit erklärten sich die Mitglieder der IG Metall unlängst zu zweieinhalb Stunden unbezahlter Extraarbeit bereit - in der Hoffnung, damit ihren Beitrag zur Sicherung und Weiterentwicklung der Firma zu leisten. Im Gegenzug haben sich die Eigentümer zu Investitionen von 12 Millionen Euro am Standort Oberndorf verpflichtet.

Die IG-Metall-Bevollmächtigte Dorothee Diehm ist nach dem Tarifabschluss inklusive unbezahlter Mehrarbeit verhalten optimistisch. Allen Beteiligten sei klar, dass die Lage ernst sei für die Firma, sagt sie. Als Arbeitnehmerseite hätte man dem Lohnverzicht aber nicht zugestimmt, wenn man nicht an den Fortbestand der Firma glaube. Gut sei, dass der Vorstand eine bessere Kommunikation mit der Belegschaft anpeile und die Mitarbeiter mehr einbinden wolle in seine Entscheidungen. »Sollten das nur leere Worthülsen gewesen sein, steigen wir aus dem Tarifvertrag wieder aus - und die unbezahlte Extraarbeit fällt weg.«

Als neuer Hoffnungsträger betritt am Freitag ein Ex-General die Bühne von Heckler & Koch: Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, soll zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt werden. Die Abstimmung ist eine Formsache, da der 77-Jährige vom Mehrheitsaktionär Andreas Heeschen vorgeschlagen wird. Der Ex-Militär könnte ein Aushängeschild werden für einen dringend benötigten Großauftrag: Die Bundeswehr soll für insgesamt 250 Millionen Euro mit neuen Sturmgewehren ausstaffiert werden. Damit träte man in die eigenen Fußstapfen - die bisherige Standardwaffe G36 ist ebenfalls von H&K. Bliebe der langjährige Großkunde Bundeswehr bei der Stange, bekäme Heckler & Koch etwas Luft im Kampf gegen den Abwärtssog.

Aus Sicht von Fachleuten ist das ein geschickter Schachzug. Kujat sei zwar schon seit 14 Jahren kein aktiver Militär mehr, er habe aber sicherlich noch immer ein gutes Netzwerk, sagt ein Branchenexperte, der namentlich nicht genannt werden will. »Auch wenn Kujat nicht operativ tätig ist, wird er sich für die Geschicke des Unternehmens einsetzen.« Andere Firmen setzten bekannte Personen als Berater ein. »Dann gelten sie aber als Lobbyisten, womit sie einen schweren Stand haben gegenüber dem Bundesverteidigungsministerium.« Bei Kujat als Aufsichtsratsvorsitzendem sei das etwas anderes - der Ex-General werde Heckler & Koch nützlich sein, ist sich der Experte sicher. dpa/nd

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